In dieser Woche hat es fast jede Nacht geregnet, oft auch tagsüber, die Wiesen, Felder und auch viele Wälder sind überschwemmt, unter solchen Bedingungen ist es schwierig, einen trockenen Zeltplatz zu finden. Sowas gab es auf meiner ganzen Reise nur sehr selten. Jeden Tag versuchte ich, meine Sachen zu trocknen, erfolglos. Erst gestern und heute schien wieder etwas Sonne, zum Glück denn sonst verschimmelt alles. Und hier fand ich einen richtigen Campingplatz, 5 Km vor Tavares. Ich bin der einzige Gast, wer geht schon freiwillig im Winter zum zelten? Dafür habe ich mehr Freiheiten, kann zum Beispiel in der Küche zelten, trocken und windgeschützt. Obwohl Frost hier eine seltene Ausnahme ist, leben die Menschen mit viel kälteren Temperaturen in ihren Häusern, als ich das von Deutschland kenne. Weil sie, wenn überhaupt, nur eine schlechte, unzureichende Heizung haben, die Häuser ungedämmt und die Fenster nur einfachverglast sind. Also wenig Komfort, ist sehr gut fürs Klima, nur dankt es ihnen niemand. Übrigens hat Brasilien einen erneuerbaren Anteil im Strommix von 80%! Wer hätte das gedacht. Schäm dich Deutschland! Immer dieses blöde Gerede von der Vorreiterrolle. In Wirklichkeit sind wir Schlusslicht. Und da haben Politiker noch die Stirn, bei sämtlichen Klimaschutzmaßnahmen zu bremsen. Dieselben Verbrecher, die die "letzte Generation" für kriminell erklären. Für meine nichtdeutschen Leser muss ich das kurz erklären: die letzte Generation ist eine Umweltschutz Organisation, überwiegend junge Leute, die völlig korrekt meinen, sie sind die letzte Generation, die den Klimawandel noch aufhalten können. Und sie demonstrieren ihre Meinung völlig legal, indem sie stören. Sie kleben sich zum Beispiel auf der Straße fest und behindern so den Verkehr. In Bayern werden sie sogar präventiv eingesperrt. Nicht sie sind kriminell, sondern die Politiker sind es, die nicht genug tun, um diesen Klimawandel zu stoppen.
Das heißt Senf im Plural.
Das sind ungefähr meine ersten 5.000 Km in Südamerika. Am südlichen Ende meines Weges, zwischen Rio Mayo und Comodoro Rivadavia ist etwa die Mitte von Patagonien. Jetzt bin ich etwa in der Mitte meines Weges durch Rio Grande do Sul, das ist der südlichste Bundesstaat von Brasilien. Er ist nur 20% kleiner als Deutschland aber größer als Uruguay und hat nur 11 Millionen Einwohner, damit gehört er aber schon zu den bevölkerungsreichen Staaten.
Seit einer Woche, seit Rio Grande, gehe ich auf einem schmalen Streifen Land zwischen dem Atlantik und der Lagoa dos Patos, das heißt frei übersetzt Ententeich, der ist aber doppelt so groß wie etwa der Bodensee in Deutschland. Am oberen Ende liegt Capivari, noch 124 Km von hier. Dieser Landstreifen ist aber doch so breit und die Straße liegt etwa in der Mitte, dass ich weder den See, noch das Meer sehe. So ähnlich geht das weiter bis zum nächsten Bundesstaat, Santa Catarina.
Die letzte Woche hat es fast jeden Tag und jede Nacht geregnet. Aber ich hab kein wirkliches Problem, einen trockenen Zeltplatz zu finden. Mal war es ein Privathaus, wo ich auf der überdachten Terrasse zelten konnte, dann eine Tankstelle, der Chef stellte keine Frage, er wusste schon was ich will und führte mich in eine Art Werkstatt, tip top sauber, ich erzählte ihm trotzdem meine Geschichte. Dann eine Polizeistation, wo ich in der Garage zelten durfte. Ich hab dann keine Wahl, wenn es Nacht wird oder beginnt zu regnen, kann ich nicht noch 2 Stunden weitergehen, bis zur nächsten Gelegenheit. In dieser Garage hab ich dann noch einen Tag und eine Nacht gewohnt, weil es kontinuierlich weitergeregnet hat. Die Polizisten waren sehr freundlich zu mir. Und heute ist es eine Kirche (Bethel Church), die haben eine große Halle, die wohl sonst manchmal auch als Garage genutzt wird. Und während dieser ganzen Woche bekam ich nur einmal eine Absage. Kein Problem, ich finde dann was anderes. So ein Zelt ist nicht für den Dauereinsatz ausgelegt, schon nach kurzer Zeit sind sie nicht mehr wasserdicht, weder von oben, noch von unten und bei starkem Regen wirds schwierig, dann suche ich mir vorsichtshalber einen trockenen Zeltplatz.
Das ist der Rio Mampituba, er fließt durch Torres und in seiner Mitte verläuft die Grenze zwischen den Bundesstaaten Rio Grande do Sul und Santa Catarina. Ich habe ihn heute morgen überquert und genau dort fotografiert. Seine braune Farbe kommt vom Hochwasser, das jetzt jede Menge Lehm mitnimmt. Heute war ein zur Zeit hier seltener Sonnentag, trotzdem kälter als die letzten Regentage, weil kräftiger Südwind. Und Zelten ist immer noch schwierig, weil die Böden satt getränkt sind vom Regen der letzten Tage. Hier fragte ich in einer Sporthalle, ob sie einen trockenen Platz für mich und mein Zelt haben, ja, haben sie, in einem Nebenraum der Halle. Die Brasilianer sind doch noch freundlicher, als ich es erwartet habe. Alle. Der Mensch der mich diese Woche abgewiesen hat, hat sich wortreich dafür entschuldigt, dass er nicht die Kompetenz hat, mir zu helfen. Klar weiß ich, dass es auch in brasilianischen Großstädten Räuber und Diebe gibt, aber zahlenmäßig fallen die nicht ins Gewicht, sicherheitsmäßig jedoch schwer.
Santa Catarina ist etwas größer als Österreich und hat dafür etwas weniger Einwohner. Hier leben viele deutsche Auswanderer die versuchen, ihre Kultur und Sitten zu bewahren. Und sie haben ihre deutschen Ortsnamen mitgebracht. Z.B. Blumenau, das liegt 160 Km nördlich von hier, dort gibt es alles, was in Deutschland geliebt und geschätzt wird, Fachwerkhäuser, folkloristische Klamotten, auch ein Oktoberfest.
Wie wohl fast überall in Brasilien ist die Landwirtschaft der dominierende Wirtschaftszweig und ein Großteil der Produkte wird hier weiterverarbeitet, zu was wohl? Natürlich zu Viehfutter. Das wird hier auch massenweise verfüttert, um die Fleischproduktion und den Profit zu maximieren. Aber Zementfabriken sehen genauso aus, ich kann es also nicht mit Sicherheit sagen. Doch die meisten dieser Unternehmen haben so einen eigenen Solarpark, es hat sich also schon bis hierher herumgesprochen, dass die Sonnenenergie die billigste Form der Energiegewinnung ist.
Das war die eindrucksvolle Skyline von Balneário Camboriú. Für eine 150.000 Einwohner Stadt schon erstaunlich, ebenso wie die elektrische 3.Welt Infrastruktur. Zwei sehr gegensätzliche Extreme auf einmal. Oder die Strommasten mitten im Gehweg. Typisch 3.Welt. Was Straßenbaufirmen tun, dient nur dem motorisierten Verkehr, Fußgänger oder Radfahrer interessieren hier nicht die Bohne. Deshalb führen sie auch keine Statistik darüber und wissen nicht, wie viele von denen im Straßenverkehr ums Leben kommen und können auch nicht aus ihren Fehlern lernen. Ja, Brasilien hat noch einen weiten Weg vor sich.
Oder hier, wie in den ärmsten asiatischen Ländern bauen sie Brücken mit Gehweg, der dann von den ahnungslosen Schlossern weggesperrt wird. Und niemanden stört sowas!
Weder die Straßen Planer und -Bauer, noch die Leitplanken Schlosser sind jemals zu Fuß gegangen und haben keinen Schimmer einer Ahnung von den Bedürfnissen eines Fußgängers oder Radfahrers (die gibt es hier sogar erstaunlich häufig).
Es ist viel passiert, in letzter Zeit. In Itajaí hat mein Elektromotor plötzlich aufgehört zu arbeiten. Ich fand heraus, dass am Gashebel ein Kabel abgebrochen war. Autoelektriker haben sofort abgewunken, viel zu klein und filigran für sie. Auch im Telefon Reparaturshop sagten sie ähnliches. Ich kann ja nicht aufgeben und fragte noch einen zweiten, dasselbe. Aber der gab mir die Adresse von einem Fahrradspezialisten, Diego heißt er. Seine Werkstatt besteht aus 3 Containern, mit angebauten Holzhütten, in einem davon wohnt er. Hauptsächlich ist er mit Reparaturarbeiten beschäftigt, löst die Probleme, die Passanten halt so mit ihren Drahteseln haben und das macht er schon, seit er 9 Jahre alt war. Nebenbei baut er auch verschiedene muskelbetriebene Fahrzeuge, z.B:
Das ist ein Fahrradtransporter, natürlich nicht aus Aluminium sondern aus Eisen und ohne Hilfsmotor
Dies nennt er sein nächstes Projekt.
Ich konnte eine Woche lang in einem der Container wohnen, so lange hat sich die Reparatur hingezogen. Diego brachte mich zu einem anderen befreundeten Spezialisten, und der hatte einen neuen Magneten für mich. Auch er sagte, der alte sei nicht reparabel. Er hat ihn dann auch eingebaut, aber es funktionierte nicht, oder kaum. Seine Diagnose: auch der Controller ist kaputt (dieses Wort ist im spanischen und portugiesischen dasselbe, mit identischer Bedeutung). Vielleicht hat das abgebrochene Ende des Kabels einen Kurzschluss verursacht. Das hat dann den Rest der Woche gedauert. Doch dann funktionierte es wieder wie neu. Alles zum Selbstkostenpreis, umgerechnet 60,-€, wohnen und Verpflegung de graça (for free).
Langweilig ist es mir nicht geworden, ich habe immer mehr zu tun, als ich Zeit habe. Ich bin dabei, meine Weg Dokumentation zu rekonstruieren. Ich mache in Google maps jeden Abend einen gelben Punkt, da wo ich grad bin, und das ist ja alles verloren seit dem Überfall in Buenos Aires. Außerdem muss ich portugiesisch lernen, jede freie Minute.
Gestern Abend hats nach 2 Wochen mal wieder geregnet, da suche ich immer möglichst einen trockenen Zeltplatz. Ich sah in Araquari, genauer in Rainha ein Haus mit einer Menge Solarpaneelen im Garten, eine Freiflächenanlage sozusagen. Das sah erfolgversprechend aus, war es dann auch. Ein Mann kam auf mich zu, Bento heißt er, das heißt Benedikt (den letzten Papst nannten sie in Brasilien Papa Bento). Er wohnt gar nicht dort, das Haus ist zur Zeit unbewohnt, ich konnte mich auf der Terasse ausbreiten. Es gibt dahinter noch ein Haus, da sind 25 Schweine drin, ich hab aber nichts von ihnen gehört oder gerochen.
Ja, und heute regnet es schon wieder, jetzt habe ich hier, kurz vor Joinville eine große offene Halle gefunden, da werde ich jetzt mein Zelt aufstellen.
Immer noch in Joinville, aber jetzt am nördlichen Stadtrand. In letzter Zeit kam ein Problem nach dem anderen. Wegen dem schlechten Wetter wollte ich meine Batterie mal wieder per Netzstrom laden, aber beim Einstecken in die Steckdose knallte es im Ladegerät, Funken sprühten und es roch verbrannt. Dann war es tot. Ich suchte nach einem Fahrradladen, der auch E-bikes hat, und fand schließlich einen, der hatte sogar genau dieses Ladegerät auf Lager. Und nachdem sie meine history gehört hatten, schenkten sie es mir. Der reguläre Verkaufspreis wäre 290 Reales gewesen ( 60,-€). Gestern musste ich wieder einen regenbedingten Ruhetag einlegen, an einer Tankstelle. Jetzt ist Sonntag früh, das Wetter sieht besser aus, es geht weiter nach Norden.
Das ist der Radlshop. Hinten Alexandro (x und j werden in Brasilien ausgesprochen wie bei uns sch), der Inhaber, mit seiner Familie, neben mir Rafael? ein Angestellter, nennt sich Freund von Alexandro.
Bin schon etwas weiter, es geht bergauf, seit Tagen keine Sonne, jetzt ist meine Batterie schon wieder leer. Die Straße ist eine Autobahn, die sie hier wegen dem Berg jede Seite auf 3 Spuren erweitert haben, auf Kosten der Standspur. Daneben entweder Leitplanken, eine Betonmauer oder wahlweise ein Straßengraben, meistens überhaupt kein Platz für mich, lebensgefährlich. Die mir entgegenkommenden LKW fahren viele mit qualmenden Reifen, das kommt vom zu vielen Bremsen. Sie wissen nicht, dass man solche Berge langsamer hinunterfahren muss, einen niedrigeren Gang einlegen und den Motor bremsen lassen. Ich fürchte jedesmal, dass mir so ein Reifen um die Ohren fliegt. Es liegen genug Trümmer von zerfetzten Reifen als Zeugen ihres Fehlverhaltens auf der Straße herum. Außerdem stinkts entsetzlich nach dem Abrieb der Bremsbeläge, und ich bin mir ziehmlich sicher, dass die noch asbesthaltig sind. Brasilien gehört zu den größten Produzenten dieses krebserregenden Minerals. In Europa sind die Verwendung und der Verkauf seit 2005 verboten. In den Ländern der 3. Welt intereressiert der Schutz der Menschen vor solchen Risiken nicht, dort gibt es nur Regierungen, die sich nur für den Schutz der Profitinteressen des Kapitals interessieren. Da gehört auch Brasilien dazu, dies ist der ultimative Beweis.
Ich habe beschlossen zurück zu gehen, bis ich die Autobahn über- oder unterqueren kann und mir auf der rechten Seite eine Mitfahrgelegenheit zu suchen, jemanden, der mich mit meinem Anhänger über diese Berge bringt. Es gibt auch keine alternativen Straßen.
Das heißt oberes- oder Oberfeld. Campo kann auch ein Fabrik- oder Schul Gelände sein (das kennen wir auch).
Ich fand heute morgen nach 3 km so eine Stelle, da muss man direkt über die Fahrbahn gehen/besser laufen, Sichtweite wegen der Kurven zu kurz, viel Verkehr und die fahren schnell. Passt auch ins Bild. Drüben war eine Baustelle, und nachdem ich ihnen mein Problem geschildert hatte, brachte mich einer der Arbeiter directamente hinüber. Aber das waren nur 5 Km. Hier kannst du wieder sicher gehen, sagte er, oder so ähnlich. Meistens errate ich, was sie sagen oder fragen. Verstehen tu ich immer noch das wenigste. Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich nicht zurück gegangen. Auf dem weiteren Weg kamen aber doch immer wieder solche engen Passagen, das scheint hier niemanden außer mir zu beunruhigen. Ich hab erst einmal, seit ich in Südamerika unterwegs bin, einen Radfahrer nachts mit Licht gesehen, auch das ist in meinen Augen eine erstaunliche Unbekümmertheit. Für die Kraftfahrer ist das eine Schule, besonders achtsam zu fahren und das tun sie ausnahmslos, trotzdem fahren viele zu schnell. Oder die Reifen. Wie in Asien werden die gefahren, bis sie platzen. Vorher sehen sie keinen Grund, sie zu erneuern.
Unterwegs musste ich wieder eine 2stündige Ladepause einlegen, abends war die Batterie wieder fast leer, obwohl es nachmittags sonnig war. Für solche Straßen ist mein Solarpaneel einfach zu schwach. Drum hab ich hier wieder an einer Tankstelle übernachtet und meine Batterie gefüllt. Ein Glück, dass dies das Gewicht meines Anhängers kein Gramm schwerer macht.
Jetzt war ich 11 Tage in Curitiba. Ich musste ein neues Ladegerät bestellen, weil ich das amtierende zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit zerstört habe. Diesmal habe ich aber erkannt, warum und wie: der Steckverbinder zwischen Batterie und Solarpaneel bzw. Ladegerät wurde immer schlechter, und weil ich keinen Ersatz fand, habe ich einen in Brasilien üblichen 230 Volt Stecker eingebaut und nicht bedacht, dass ich nun die Input- und die Outputseite des Ladegerätes verwechseln kann und genau das ist mir passiert und war die Ursache. Ich musste hier eine Woche warten, hab wieder den Haushaltsstecker verwendet, aber diesmal hab ich ihn unverwechselbar markiert.
2 Wochen bevor ich hier ankam, hat mich "Kiko", ein Fernreise Radler aus Curitiba eingeladen, ihn zu besuchen. Das hab ich dann gemacht, mit dem Ergebnis: 10 Tage Vollpension, gratis natürlich. Kiko ist 55 Jahre jung, aber schon pensionert und bezieht als ehemaliger Banker eine für brasilianische Verhältnisse üppige Rente. Das Haus gehört ihm und er hat noch 2 Mitbewohner, Aldo und Luis, eine 3 Männer WG also. Zur Zeit wird Curitiba von einer Grippewelle heimgesucht, auch Aldo war krank und er machte keinerlei Anstalten, seine Mitbewohner vor einer Ansteckung zu schützen. Ich war das nächste Opfer, weil mein Immunsystem durch meinen Lebenswandel wenig mit Viren konfrontiert ist und deshalb wenig Training hat. Auch Kiko und Luis erkrankten nach mir, dann haben sich alle Beteiligten auf die Corona-Schutzmasken besonnen, aber für uns wars zu spät. Ist ja auch nicht sicher, ob es geholfen hätte. Deshalb nochmal 3 Tage mehr. Es war trotzdem ein sehr angenehmer und informativer Aufenthalt dort.
Vielleicht habt ihr es bemerkt, ich gehe seit Curitiba nach Westen. Schon in Chile habe ich gesagt, ich würde gern auch die nördliche Hälfte sehen, das mache ich jetzt. Ich gehe über Foz do Iguaçu, Paraguay, die Nordwestecke von Argentinien, über die Anden wieder nach Chile. Wahrscheinlich nach Antofagasta, und dann weiter nach Norden. Dort liegt die Atacama Wüste, die heißeste Ecke von Südamerika, zumindest tagsüber im Sommer. Die Passstraße über die Anden ist dort 4.000 m hoch, das geht also nur im Sommer, und meine Erfahrungen im Nordwesten von Australien machen mich zuversichtlich, dass ich die Atacama im Sommer auch überlebe.
Vielleicht sollte ich mir doch einen Revolver zulegen?
Am Sonntag abend ist es wieder passiert. Ein junger Mann hat mir im Vorbeigehen mein Handy aus der Hand gerissen und ist damit weggelaufen. Ich lief ihm reflexartig nach, aber schon nach wenigen Sekunden sah ich ein, dass ein Kampf mit ihm keine gute Idee ist (ich bin jetzt 73 Jahre alt). Ich ging wieder zur Polizei, besser vorbereitet als beim letzten mal, aber die IMEI Nummer hab ich vergessen aufzuschreiben. Also wieder ein halber Tag umsonst. Ich fragte in einem Telefonladen, dasselbe Ergebnis. Aber die konnten mir das sofort sagen, ohne lange Protokolle zu schreiben. Der Rechtfertigungszwang bei staatlichen Einrichtungen ist das bürokratische Hauptübel, überall auf der Welt.
Jetzt hab ich wieder ein neues Handy, ein paar alte Daten konnte ich vom alten iphon übertragen, aber die letzten 2 Monate sind weg.
Guarapuava ist wieder ein indigener Name und bedeutet wilder Wolf. Es ist eine große Stadt mit 180.000 Einwohner. Hier musste ich aus noch einem anderen Grund zur Polizei gehen, aber zur policia federal (Bundespolizei). Wegen dem Diebstahl musste ich zur policia civil. Meine Aufenthaltserlaubnis in Brasilien geht zu Ende und hier haben sie sie verlängert. Die vielen technischen Probleme und der häufige Regen haben zu viel Zeit gekostet. Ich wollte nur 2 Wochen verlängern, bis Paraguay, aber sie gaben mir nochmal 3 Monate. Die kann ich leider nicht nutzen, wenn ich noch im Sommer über die Anden will.
Wieder ist es mir nicht gelungen, mein Whatsapp Konto weiter zu nutzen. Ist doch blöd, jedesmal neu beginnen zu müssen, aber sie glauben mir einfach nicht, dass ich es bin, also wieder eine neue Nummer: +55 (für Brasilien) 429 8409 3954.
Dienstag war wieder ein voller Regentag, ich fand Schutz an einer Tankstelle. Die Temperatur wird immer noch viel stärker von der Antarktis beeinflusst als von der Sonne. Mal gehe ich in der kurzen Hose, mal brauche ich 2 lange, je nach Windrichtung.
Von Curitiba nach Westen stieg die Straße anfangs noch leicht an, von 1000 auf 1200m, um dann tendenziell wieder abzufallen. Aber immer sehr hügelig, zu viel für mein Solarpaneel. Ich musste immer wieder per Steckdose nachhelfen. Ich fürchte, das wird für die hohen Andenpässe nicht reichen.
Gestern war ich bei den Wasserfällen des Rio Iguaçu, jemand sagte mir, die können locker mit den Niagara Fällen konkurrieren. Ich kannte ja beide nicht.
Das ist nur ein kleiner Ausschnitt. Ist wirklich impressionante, höchst eindrucksvoll.
Dank der vielen Regenfälle der letzten Wochen hat der Fluss zur Zeit viel Wasser. Und es geht noch mehr. Ich hab aber auf Bildern gesehen, dass er auch fast ganz versiegen kann.
Jetzt gehe ich in den Nordteil der Stadt, dort habe ich eine Einladung von Rosalvo, er ist ein Freund eines Freundes von Kiko und Philosophie Professor.
Der Rio Iguaçu kommt von Osten und mündet im Süden der Stadt in den viel größeren Rio Paraná, der letztlich in den Rio de la Plata mündet (das ist die große Bucht zwischen Buenos Aires und Uruguay). Ein paar Km nördlich von Foz haben sie vor 30 bis 40 Jahren einen Staudamm (den Itaipu) in den Rio Paraná gebaut, das ist der zweitgrößte der Welt nach dem 4 Schluchten Staudamm in China und nach dem Energiegewinn der größte. Der Rio Paraná muss ein riesiges Einzugsgebiet haben, weshalb da sehr viel Wasser zusammengeführt wird. Er hat 20 Turbinen mit je 700 Megawatt, das sind, wenn sie alle laufen, und das tun sie oft, auch jetzt, zusammen 14 Gigawatt. Das ist die Leistung von 10 durchschnittlichen Atomkraftwerken. Durch 2 dieser Turbinen fließt etwa die gesamte durschnittliche Wassermenge des Iguaçu. Der Preis durch Umweltschäden war allerdings hoch.
Die Staumauer ist fast 8 Km lang und bis zu 200 m hoch, der Stausee 175 Km lang und 2½ mal so groß wie der Bodensee. Es gab dort die berühmten 7 Wasserfälle des Paraná, die alle im Stausee untergegangen sind. Mehr als 40.000 Menschen verloren ihre Heimat, hauptsächlich Guarani Indianer, die damals, in der Zeit der Militärdiktatur natürlich nicht ausreichend entschädigt wurden. Und die ganze Gegend bestand aus Regenwald, der für die Bauarbeiten abgeholzt und überflutet wurde, mitsamt seiner gesunden Artenvielfalt. Auch Kiko ist dort in einer einfachen Bauernfamilie aufgewachsen. Eines Tages sagte sein Vater zu ihm und seinen Geschwistern: Kinder, schaut euch die Wasserfälle nochmal an, bevor sie untergehen, ihr werdet sie danach nie wieder sehen.