Ich bin wieder fit. Jedesmal wenn ich den Versuch mache, sehe ich die These bestätigt, dass so ein Fastentag Wunder wirkt.
Es geht nun deutlich bergab, ich meine das Tal, in dem ich unterwegs bin. Vorgestern war der höchste Punkt 2200 m und vor mir liegen noch einige Berge aber Jammu (die Stadt) liegt viel niedriger als Srinagar. Der Staat heißt ja Jammu und Kaschmir. Kashmir liegt im Nordwesten und Jammu im Südwesten. Im Osten liegt Ladakh.
Und seit heute früh bin ich in Jammu. Hier leben wieder hauptsächlich Hindus, ihre Sprache heißt Dogri, daneben gibt es aber auch Kashmiri, Hindi und Urdu. Englisch können nur wenige. Oft ist unter 20 Menschen die mir Fragen stellen, kein einziger dabei. Und diese "kleineren" Sprachen hat Google auch nicht in seinen Übersetzer aufgenommen. Dann geht es einfach nicht.
Hier, wo ich jetzt bin, gibt es 2 Gaststätten und 2 Stores (Saftläden) im Garagenformat. Zum Essen gibt es nur Roti (Fladenbrot) oder Reis und Dal (Bohnen). Ich habe schon seit Tagen nichts anderes mehr gegessen. Kulinarisch ist das hier Mittelalter.
Aber jede dieser Gaststätten hat in einer Ecke mindestens ein Bett und wenn ich frage, ob ich hier übernachten kann, sagt keiner nein. Die Gefahr mit den großen Raubtieren ist einfach jedem bewusst. Meistens schlafen auch einer oder mehrere der Angestellten direkt an ihrem Arbeitsplatz. 1. deshalb und 2. weil ich den Verdacht habe, mir im letzten Hotel wieder eine Krätzmilben Infektion geholt zu haben (trotz ausschließlicher Benutzung meines eigenen Schlafsacks), schlafe ich auf einer Sitzbank, die ist lang und breit genug, auf meiner Isomatte.
Tatsächlich schläft einer der Angestellten auch hier, aber der will das Bett auch nicht benutzen und schläft auch lieber auf einer der Bänke. Ohne Unterlage, ohne Zudecke, in seiner Arbeitskleidung. Waschen und Zähne putzen machen sie erst am nächsten Morgen. Alle!
Nachmittags habe ich den tiefsten Punkt des Tages mit 600 m erreicht, und da war sie wieder, die indische Sommerhöllengluthitze.
Hier gibt es auch wieder Affen, diesmal deutlich größer.
tief eingeschnittene Flußtäler (der Chanab River) und grüne Berge.
Unter mir ist ein Tunnel, 10km lang, aber es gibt eine alte Straße über die Berge, für die hab ich mich entschieden. Es ging schon seit 25 km bergauf, aber über dem Tunnel nochmal ordentlich. Bis 1800 m. Und 30 km mehr. So ein langer Tunnel ist mörderisch, wenn man zu Fuß durchgeht.
Hier oben hab ich weniger Verkehr und Lärm, bessere Luft und tolle Aussichten.
Ich habe vergessen zu erwähnen, dass ich vorgestern wieder ein Biker Trio getroffen habe, Studenten aus Mumbai. Die sind schon 4000 km gefahren und wollen noch weiter nach Leh und nach Nepal.
Der Dritte fotografiert. Sie haben Super Fahrräder, sehen aus wie Mountainbikes. Sie machten gerade Mittagspause in einem Tempel. Ein alter Mann (70), managt diesen Tempel offensichtlich, er hält alles sauber (ist natürlich relativ) und in Ordnung, er hat graue Rasterlocken, die sind so lang, dass er sie sich mehrfach um den Kopf wickeln kann, sieht fast aus wie ein Turban. Er kocht dort auch, und hat die drei zum Essen eingeladen. Und die haben mich dazu eingeladen. Ich bezweifelte zuerst, ob das für den Alten OK ist, aber es war mehr als OK. Er hat sich sichtlich gefreut, und wir haben sofort eine gemeinsame Wellenlänge gefunden. Will sagen, wir haben uns prächtig verstanden und hatten uns viel zu erzählen. Es gab natürlich Reis und Dal.
Heute früh wurde ich von einem Erdrutsch aufgehalten, die Aufräumarbeiten haben bis um 14 Uhr gedauert. Wann sie begonnen haben weiß ich nicht, als ich um 8 hinkam, waren sie schon in vollem Gange. Da lagen soviel Erde und Felsbrocken auf der Straße, dass kein Durchkommen möglich war, auch nicht für Fußgänger. Und die Autos und LKW stauten sich schon kilometerlang, dreispurig auf einer zweispurigen Straße, bis dicht vor die Baustelle. Wenn der Verkehr wieder freigegeben wird, ich weiß nicht, wie die aneinander vorbei kommen wollen. Hab ich auch nicht mitbekommen, weil ich das Hindernis viel früher überwinden konnte als die Autos. Und während sie mit einem Bagger und zwei Bulldozern den Berg abtrugen, rutschte immer wieder neues Material nach, langsam wie in Zeitlupe.
Heute Abend hat mich wieder ein freundlicher Inder mit nach Hause genommen. Hier seine Familie, es fehlt noch eine Tochter, die kam später. Todschickes Haus. Er ist der erste Inder, der die Existenz des indischen Kastensystems zugibt, alle anderen, die ich bisher danach fragte, wollten nichts davon wissen und behaupteten, das gibt es heute nicht mehr. Und er gehört der Kaste der Brahmanen an, das ist die höchste Stufe. Natürlich hat er auch einen standesgemäßen Government Job, das bedeutet mit Pensionsanspruch, und verdient ein Schweinegeld von 250.000 Rupies monatlich, das sind über 3000€. Für indische Verhältnisse ist das stinkreich. Ihr könnt an meiner Wortwahl erkennen, wie sehr mir solche sozialen Ungerechtigkeiten missfallen. Das Verhältnis zu seiner Frau erfüllt eindeutig den Tatbestand der Sklaverei. Wir kommen heim, setzen uns aufs Sofa, plaudern angeregt, seine Frau verschwindet in der Küche um uns zu bedienen. Es muß eine strenge Arbeitsteilung geben.
Gut, Männer haben auch ihre Sorgen, aber Frauen müssen um ihr Leben fürchten. Nicht nur in Indien oder Costa Rica, sondern auch in Deutschland. Wenn der Partner ausrastet, wirds gefährlich. Wie sehr sich Frauen permanent bedroht fühlen, sehe ich täglich beim Laufen. Sie erschrecken sich fast zu Tode, wenn ich sie überhole und sie haben mich nicht kommen gehört. In Deutschland noch mehr als in Indien.
Das ist kurz vor Jammu. Ich bin wieder unten, in Indien. Ich werde erst wieder Höhenangaben machen, wenn es größere Veränderungen gibt.
Das wächst hier wie Unkraut, 2-3 m hoch, überall. Es ist eindeutig Hanf. Die Leute bedienen sich, rauchen die Blätter und ich weiß nicht was sonst noch. Jemand erzählte mir, sie machen auch ein alkoholisches Getränk daraus.
Mein Anhänger geht mir schon gehörig auf den Geist. In Großstädten ist er besonders hinderlich, das ist der Hauptgrund, warum ich mich dort meistens nicht lange aufhalte. So war es auch wieder in Jammu. Außer engen Altstadt Gassen mit Verkehrschaos habe ich nicht viel gesehen. Mein Internet Zugang ist in den letzten Tagen immer schlechter geworden, da habe ich mal wieder einen Profi gefragt, woran das liegt, und der meinte, ich muss sie aufladen (rechargen). Er hat das dann gleich gemacht, hat 200 R. gekostet, aber jetzt geht sie fast überall.
Heute habe ich einen neuen Reifen gebraucht. Die erste Garnitur aus Rosenheim hat 5000 km gehalten, von Teheran bis zum Südrand des Himalaya. Ein pensionierter Lehrer hatte sich dort als Spielplatz eine kleine Radlwerkstatt eingerichtet. Einrichten ist nicht das richtige Wort, das klingt nach einer gewissen Ordnung, aber die gibt es nicht in Indien. Ordnung und System wurden dort noch nicht erfunden, jedenfalls keine, die ich als solche erkennen kann. Aber vielleicht liegt das Problem ja bei mir. Jedenfalls hat er aus seinem Schrotthaufen ein altes Kinderfahrrad herausgezogen, hat die Reifen abmontiert und auf meine Felgen montiert. Sie waren sehr unterschiedlich, wie Sommer- und Winterreifen und haben dann zusammen mit Montage 300R. gekostet. Seit Wochen beobachte ich mit Sorge, dass der Sommerreifen offenbar älter ist und immer brüchiger wird. Heute hat er seinen Geist aufgegeben und ist nach einem Platten stellenweise zerbröselt, nach nicht einmal 1.500 km. Zum Glück war es nicht weit bis zur nächsten Stadt, aber ich musste wieder mehrere Radlshops abklappern, bis einer was passendes hatte. Diesmal mit Schlauch für 200 R.
Hier ist es wieder eindeutig zu heiß. Meine Hoffnung, dass es im August vielleicht schon etwas kühler wird, hat sich nicht erfüllt, und diesmal bin ich innerhalb von einer Woche aus dem kühlen Norden in diese Hitze gekommen. Auf meinem Weg nach Süden hatte ich mehr Zeit, mich daran zu gewöhnen. Zwischen 12 und 17 Uhr komme ich kaum vorwärts, am schlimmsten ist es zwischen 14 und 16 Uhr. Da sitze ich meistens mit einem kühlen Getränk irgendwo im Schatten, am liebsten unter einem Ventilator.
So haben sich Fußgänger im indischen Straßenverkehr zu verhalten.
Das Problem der letzten Woche war wieder meine Sim Karte.
McLeodGanj liegt ca. 10 km nördlich von Dharamsala und nochmal 400 m höher, dort lebt der Dalai Lama. Alle haben gesagt, da musst du unbedingt hin. Ich wollte eigentlich gar nicht, aber ich musste mir in Dharamsala wieder eine neue Sim Karte kaufen, das war am Freitag Mittag. Die letzte hat nur in Jammu und Kaschmir gearbeitet, solche Missverständnisse erlebe ich immer wieder. Also die neue kann erst am Abend freigeschaltet werden. Und das warte ich vorsichtshalber vor Ort ab, meistens funktioniert es nicht. Also hatte ich Zeit, nach McLeodGanj zu gehen. Ich war noch gar nicht richtig dort, da hat mich eine Frau angesprochen, zuerst hielt ich sie für eine Touristin. Kurz darauf stoppte uns ein Redakteur der Zeitung, in der am Vortag wieder mal ein Bericht über mich stand. Und bei diesem Gespräch stellte sich heraus, mit wem ich es bei dieser Frau zu tun hatte. Sie heißt Loretta Henderson, ist aus Kanada und radelt schon viele Jahre kreuz und quer durch die Welt. Schaut euch mal ihre Homepage an:
(solo female cyclists). Gegen sie bin ich wieder der absolute Anfänger. Und nun hat sie sich vorübergehend in McLeod niedergelassen um Geld zu verdienen. Sie arbeitet als Englisch Lehrerin an einer tibetischen Schule in Dharamsala, hat eine kleine Wohnung in unmittelbarer Nähe zur Residenz des Dalai Lama und bei ihr konnte ich 2 Tage wohnen. Natürlich hat meine Sim Karte am Abend nicht funktioniert. Am nächsten Tag bin ich wieder nach Dharamsala gegangen, oh sorry, ein technisches Problem, aber heute Abend (Sa). Natürlich wieder nichts. Nun vertröstete er mich zum 3. mal, diesmal auf Sonntag Mittag, und diesmal hats gestimmt, was er sagte. Aber ich verstehe das indische Englisch am Telefon noch immer nicht, ich brauchte wieder Hilfe von einem mobileshop und dann funktionierte es. Jedenfalls konnte ich am Sonntag Nachmittag wieder aufbrechen, in Richtung Nepal, mein nächstes Ziel. Nach wenigen Stunden war aber schon wieder Schluss mit lustig. Auch in den nächsten Orten, nichts. Also wieder zu einem mobileshop. Der meinte, der Verkäufer meiner Sim Karte hat entweder einen Fehler gemacht, oder mich betrogen. Er kann sie nun wieder aufladen, kostet nochmal 230 Rupies. Bevor ich nochmal zurück gehe oder fahre um ihn zu killen, OK. Jetzt arbeitet sie, trotzdem gibt es zwischen größeren Ortschaften erhebliche Funklöcher.
Heute früh hat mir wieder ein Reporter aufgelauert, dafür bekam ich von seiner Mutter ein ordentliches Frühstück, Chapati, Gemüse und Tee. Solche Zeitungsberichte haben den Nachteil, dass mich in den darauf folgenden Tagen noch mehr Leute ansprechen, manchmal komme ich keine 10 Meter, dann muss ich schon wieder die gleiche Story erzählen. Und wenn dann auch noch blöde Fragen kommen, kann ich schon mal aggressiv werden. Da bleibt z.B. ein Autofahrer mitten auf der Straße stehen und sagt: how are you. Ich habe wirklich keine Lust auf solche Floskeln mitten auf der Straße. Und dann fragt er: were are you? (going oder from?). Ich sage dann schon mal, dass ich hier keine Lust habe mich zu unterhalten.
Der Reporter hat mir erzählt, dass es in der Gegend Tiger gibt, drum möchte ich hier lieber nicht draußen in der Wildnis übernachten. Deshalb habe ich bei einem Haus gefragt, ob ich da mein Zelt aufstellen kann. Ja klar, das kannst du. Nach einem Glas Wasser und einem Glas Tee, während derer ich meine Geschichte erzählen musste, hatten sie auch ein Abendessen und ein Gästezimmer für mich. Und auch sie erklärten mir, dass der Gast bei ihnen ein Gott sei. Das kann man sich als Deutscher einfach nicht vorstellen. Bei den Muslimen ist er ein Bruder und bei den Christen ein Feind.
Seit Wochen schon habe ich meinen Schnitt von 30 km täglich nicht erreicht. Das hat eine Menge Gründe: zweimal ist meine Achse gebrochen. Ich ging zu einem Carpenter, habe mich als Kollege vorgestellt und durfte mir eine neue aus Holz machen. Das Werkzeug, das dort zur Verfügung steht ist katastrophal schlecht. Bohrer gibt es nicht, sie schlagen mit einem Hammer einen Nagel breit und feilen die Flanken etwas schräg an, fertig ist der Bohrer. Eine Hobelmaschine gibt es zwar, aber nur in Heimwerkergröße und - qualität. Entsprechend lange dauerte die Arbeit und schlecht war die Genauigkeit. Dies hatte zur Folge, dass die Spur der beiden Räder nicht mehr stimmte (das heißt, die Räder laufen nicht parallel), was einen enorm hohen Reifenverschleiß verursachte. Schon nach wenigen Tagen waren sie verschlissen und dann brach die Achse erneut, weil das Holz nicht hart genug war.
Die original Achse war aus Aluminiumrohr. Ich entschloss mich zu einem zweiten Versuch, der mir etwas besser gelang, aber immer noch nicht perfekt. Diesmal suchte ich mir eine Schreinerei, die härteres Holz hatte, die Werkzeug Ausstattung war genau so schlecht. Die einzigen Elektro Werkzeuge waren eine Bohrmaschine und eine kombinierte Hobelmaschine mit Kreissäge. Und beide hatten keinen Stecker, sie stecken die nackten Kabelenden einzeln in die einzige Steckdose. Und dass ich in so einer Werkstatt arbeite, ist für Inder so eine Sensation, dass sich in kürzester Zeit der ganze Raum mit Menschen füllt,die mir beim Arbeiten zuschauen, einschließlich der festen Belegschaft, so dass ich keinen Schritt machen kann, wenn ich nicht vorher ein paar beiseite schiebe. Auch Handwerksbetriebe gibt es fast nur in Garagengröße, ebenso wie Shops aller Art (nur neuere Wohnhäuser sind größer). Vieles spielt sich deshalb draußen ab, sie haben ja den Gehsteig als zusätzliche kostenlose Lager- und Arbeitsfläche. Fast alles machen sie auf dem Boden, in für mich unmöglichen Stellungen, die sie stundenlang beibehalten können. Die Hitze in diesen Werkstätten ist für mich unerträglich, indische Arbeiter schwitzen nicht. Sie können schwerste Muskelarbeit verrichten, ohne als Abfallprodukt Wärme zu erzeugen. Wie sie das machen ist mir schleierhaft.
2. regnet es jetzt hier oft, mehrmals täglich, was mich zu häufigeren Pausen zwingt. Ich warte dann doch lieber ein bisschen länger um sicher zu sein, dass es wirklich vorbei ist. Oft scheint danach wieder die Sonne. Dharamsala ist einer der Orte mit den höchsten Niederschlagsmengen in Indien. Viermal so viel wie in Deutschland.
3. halten mich wegen der Zeitungsberichte seit Dharamsala vielmehr Leute auf als vorher. In Deutschland haben sich die Menschen die mich mit meinem Anhänger sahen, für mich fremdgeschämt und pikiert weggeschaut, hier bin ich ein Superstar. Obwohl auch sie nicht verstehen können warum ich das mache, haben sie doch höchste Achtung davor. Für Inder ist es unvorstellbar, länger als 3 Tage von ihrer Familie getrennt zu sein. Sie sehen sich dann in höchster Lebensgefahr und haben panische Angst davor.
4. hatte ich in letzter Zeit häufiger Durchfall, was mich immer etwas schlapp und müde macht. Auf der Suche nach den Ursachen achte ich mehr auf die hygienischen Verhältnisse und je genauer ich hinschaue, desto grausiger wird es. Auch deutsche und österreichische Köche halten die Forderung, Obst und Gemüse zu waschen für überbewertet. Aber hier geschieht das niemals. Reiseempfehlungen aus Europa besagen, dass Waschen nicht ausreicht. Es gibt einen Plazebo Effekt, der besagt, dass z.B. ein vermeintliches Medikament nur deshalb wirkt, weil der Patient daran glaubt. Ich habe das auch beim Sport immer wieder festgestellt, der Sieger gewinnt nur, wenn er an seinen Sieg glaubt, die Verlierer verlieren nur, weil sie nicht an einen Sieg glauben. So ist es auch hier: je mehr hygienische Probleme ich sehe und denke, dass sie mir schaden, desto mehr schaden sie mir. Ich kenne und beachte die strenge Aufgabenteilung zwischen linker und rechter Hand, aber auf indischen Toiletten gibt es nur selten Seife (in muslimischen Ländern ausnahmslos immer). Nach meiner Ankunft in Indien wusste ich das alles noch nicht so genau, aber je mehr ich darüber nachdenke, desto schlimmer wird es. Den Indern macht es weniger aus, weil sie sich keine Gedanken darüber machen. Hygiene ist eine europäische Erfindung, speziell eine mitteleuropäische.
Ich beschreibe das alles so genau, weil ich gelernt habe, dass dies für mich eine therapeutische Wirkung hat und ich manche Probleme dann besser lösen kann.
Dies ist ein Jobangebot, 75-100€ Monatsgehalt, 6-Tagewoche, 7 Stunden täglich. Ich bin hier ein reicher und freier Mann.
Ich muss die indische "Hygiene" noch etwas genauer beschreiben: In jedem Restaurant steht auf jedem Tisch eine Kanne mit Trinkwasser, Leitungswasser (die besseren Kneipen haben Wasserfilter, aber ich weiß nicht, was die können). Das Wasser wird aus einem Plastikfass oder Eimer oder großem Topf geschöpft. Die Tische werden mit Putzlappen abgewischt, diese Fetzen werden niemals auch nur ausgespült, nichtmal ausgeschüttelt und sehen aus, als würden sie nur einmal jährlich gewechselt. Bei dieser Methode fallen zwar die großen Brocken vom Tisch, der Rest wird nur auf der Oberfläche verschmiert. Und weil Inder nicht so genau hinschauen, sehen sie das nicht. Und was sie nicht sehen, existiert für sie auch nicht. Wenn die Wasserkanne leer ist, wird sie in das Fass getaucht, um sie wieder zu füllen. Jedes Kind kann sich vorstellen, dass sich der Schmutz vom Tisch auf den Boden der Kanne überträgt und von der Kanne aufs Wasser. Ein Inder nicht. Bei dem Schöpfvorgang tauchen sie auch oft mit der Hand ins Wasser, egal, sie verbergen das nichtmal. Kann ruhig jeder sehen, keiner denkt sich was dabei. Ich denke an die fehlende Seife auf den Toiletten und dabei komme ich mir vor, wie der typisch deutsche Oberspießer.
Meistens bekommt man Blechteller und in manchen Restaurants habe ich beobachtet, dass diese nicht gewaschen, sondern mit dem selben Fetzen nur abgewischt wurden. Sie wissen nicht, dass es Schmutz gibt, der für das menschliche Auge zu klein, aber trotzdem ekelerregend ist und bakteriell gefährlich sein kann.
Einmal habe ich in der Küche eine Ratte beobachtet, die auf einem Kabel an der Wand entlang balancierte. Ich machte den Koch darauf aufmerksam und der lachte nur.
Die Trinkbecher sind auch meist aus Blech und die werden nur kurz (eine halbe Sekunde) unter die Wasserleitung gehalten, das Wasser ebenso kurz wieder ausgeschüttet, fertig. Außen geschieht nichts. So werden sie aufeinander gestapelt und sie passen so gut aufeinander, dass das restliche Spülwasser nicht mehr abfließen kann. Wenn man so einen Becher dann auf den Tisch bekommt, ist immer noch ein Bodensatz von diesem Spülwasser drin. Und wenn man nicht aufpasst, schüttet der Bediener (Frauen sind in der indischen Gastronomie die absolute Ausnahme) das "Trinkwasser" einfach drauf. Am Anfang hat es mir wie gesagt nichts ausgemacht, aber inzwischen bin ich davon abgekommen, dieses Wasser zu trinken. Doch auch das Mineralwasser aus Flaschen ist nicht sicher, man kann neues Leergut auf dem freien Markt kaufen und mit irgendwelchem Wasser befüllen, wie ich mit einem Foto aus Bangalore gezeigt habe. Ein Restrisiko bleibt also immer.
Es gibt hier diese Rinderart, der Schulterhöker hat die gleiche Funktion wie bei Kamelen, ein Energie Speicher aus Fett. Und vom Kinn bis zur Brust hängt ein Hautlappen herunter. Diese Merkmale sind bei den männlichen Tieren stärker ausgeprägt als bei den weiblichen.
Der niedrigste Punkt war heute 400 m hoch, dazwischen ging es immer wieder auf und ab.
Ein alltägliches Bild auf indischen Straßen. Selbst wenn es einen Verkehrsstau deswegen gibt, wagen nur wenige zu hupen, um die Kühe zu vertreiben. Auch Hunde genießen ähnliche Privilegien, da wird aber schon öfter gehupt. Wenn ein Mensch im Weg ist, wird gehupt was das Zeug hält. Unglaublich, diese Werte Hierarchie. Einmal stand so ein Bulle am Straßenrand und hat irgendetwas gebrüllt, da hat mich ein Passant gewarnt, es könnte gefährlich sein, so nah an ihm vorbei zu gehen, wie ich es vorhatte, der hat schlechte Laune. Da habe ich vorsichtshalber die Straßenseite gewechselt.
Mal wieder ein Landschaftsbild. Ich gehe schon seit Wochen in südöstliche Richtung, die Täler verlaufen aber von Nordost nach Südwest. Ich muss also eine Bergkette nach der anderen überwinden, ein Tal nach dem nächsten durchqueren, da geht es runter bis auf 400 m. Geht ganz schön in die Knochen.
Ich habe den Eindruck, hier regnet es genauso viel wie in Dharamsala, mehrmals täglich. Shimla liegt sogar noch höher, genaueres morgen. Jetzt bin ich 5km davor, habe mich wieder in ein Hotel geflüchtet.
Deep heißt der junge Mann, ist 20 Jahre alt und studiert in Shimla. Ich habe ihn heute morgen getroffen, er war zu Fuß unterwegs nach dort, 20 km. Das ist bisheriger Rekord für einen Inder. Die Hälfte der Strecke hat er meinen Anhänger gezogen, dann bekam er muskuläre Probleme in den Beinen, ist ja klar, wenn man dafür nicht ausreichend trainiert ist. Nachdem ich ihn wieder übernommen habe, wars auch sofort wieder vorbei.
Der Reinmund hat meine Angaben zur Stellenausschreibung korrigiert, er meint und ich glaube er hat recht, die armen Schweine müssen 10-12 Stunden und mehr pro Tag arbeiten. Wenn es im Durchschnitt 12 sind, bedeutet das 72 Wochenstunden oder durchschnittlich 310 Stunden im Monat, das macht einen Stundenlohn von 24-32 Eurocent.
Es gibt auch positive Nachrichten aus Indien: der oberste Gerichtshof hat heute ein altes Gesetz gekippt, nach dem homosexuelle Handlungen bisher verboten und strafbar waren. Ist doch ein guter Tag für die Menschenrechte und für viele Menschen.
Shimla liegt auf extrem steilem Gelände. Man sieht es nicht so deutlich, weil die steilste Seite mir genau gegenüber liegt. Es gibt etwa horizontal verlaufende Straßen, als Querverbindungen wurden Treppen angelegt, selbst diese haben einen Serpentinen ähnlichen Verlauf. Nirgendwo in Indien habe ich so viele Touristen gesehen wie hier. Nobelviertel mit schicken Hotels, Boutiquen und Restaurants und einem Preisniveau, fast wie in Deutschland. Da suche ich doch lieber die Gesellschaft der Inder.
Auf Lorettas Webseite bin ich über einige Anmerkungen zum Thema Einsamkeit der Alleinreisenden gestolpert. Das hat mich doch etwas mehr beschäftigt, als ich bisher zugelassen habe. Vor meiner Reise waren das auch mit die schwersten Bedenken meiner Freunde und von Leuten, die damit nur wenig oder gar keine Erfahrung haben. Ich selbst machte mir da überhaupt keine Sorgen und lag mit meiner Einschätzung (über mich) richtig. Bis heute hatte ich tatsächlich kein Problem damit und bin mir inzwischen ziemlich sicher, dass das auch so bleibt. Für die Inder ist dieses Thema neben der Sorge über gesundheitliche Probleme das Erstaunlichste an mir.
Einsamkeit entsteht im Kopf. Genauso wie Hunger und die meisten anderen Bedürfnisse oder Gefühle. Wenn ich beschlossen habe, eine Mahlzeit auszulassen, kann ich das ohne Probleme tun. Wenn ich essen möchte und finde nichts, sterbe ich fast vor Hunger, mein Esser kann mir Schwächeanfälle vorgaukeln, die glaubwürdig erscheinen. Alles nur eingebildet. Wenn ich dann erfahre, in 5 km gibts eine Futterquelle, sind alle diese Symptome schlagartig weg und ich bin zu Höchstleistungen fähig.
Wenn ich mir einen Partner oder Begleiter wünsche, werde ich einsam sein, wenn ich mit mir selbst und meiner Situation zufrieden bin, dann nicht. Mein Denken bestimmt meine Gefühle. Sie sind nicht sowas wie eine objektive Wahrheit aus meinem Bauch, sie sind das Produkt meiner Erfahrungen und meines Denkens. Auch meine Erfahrungen sind das Produkt meines Denkens, mein Denken bestimmt, welche Schlüsse ich aus meinen Erfahrungen ziehe. Deshalb kann ich nur vor unkritischem Denken warnen. Ich muss mein Denken kritisch beobachten, sonst tut es was es will und nicht was ich will. Das ist ein entscheidender Unterschied. Ein früherer Arbeitskollege ist mir mit seinen Hasspredigten gegen andere ziemlich auf die Nerven gegangen. Das muss er doch nicht. Er könnte doch auch versuchen, die positiven Seiten anderer Menschen zu sehen und seine eigenen Schwächen. Das Denken bestimmt unser Reden, unsere Taten, unsere Erfahrungen, letztlich unser Schicksal. Denke positiv und dein Leben wird positiv. Denke negativ und dein Leben wird negativ.
Dieser ehemalige Arbeitskollege ist übrigens alles andere als glücklich, sein Hass richtet sich auch gegen ihn selbst. Er weiß das alles nur nicht, so läßt er seinen Denker weiter denken was der will. Der Denker gehört wie der innere Schweinehund oder der Raucher, Esser und andere Süchtlinge oder ein Angsthase zu unserer multiplen Persönlichkeit. Sie alle sind ein Teil von uns, sie sind nicht wir selbst. Mein Arm ist nicht ich, er ist ein Teil von mir und ich bestimme, was er tut. So versuche ich es auch mit den anderen Teilen meines Körpers und meiner Persönlichkeit zu machen.
Das ist Nandlal und seine Frau Nirmladevi, bei ihnen durfte ich gestern übernachten, Gott spielen und mich verwöhnen lassen.
Er war bis vor 20 Jahren Sternekoch, er sagt 6 Sterne, aber soviel gibt es nicht. Ein heißer Ölspritzer zerstörte sein linkes Auge, daraufhin war er für diesen anspruchsvollen Job nicht mehr gut genug.
Das ist ihre Wohnung und "Giftküche". Er bezeichnet sich jetzt als ayurvedischer Arzt und stellt alle Mittelchen selbst her. In dem Raum duftet es phantastisch gut. Hinter dem Vorhang steht das Bett. Zuerst sollte ich da schlafen und er wollte mit seiner Frau in einen anderen Raum ausweichen. Ich sträubte mich und wollte lieber auf dem Boden schlafen und als er meinen Schlafsack sah, war er einverstanden. Wenn man den Raum betritt muss man die Schuhe ausziehen und dann glauben sie, der Boden wäre sauber. Er hat dann gekocht, dabei machte er alles auf diesem Boden. Mir ist schon vom zuschauen schlecht geworden. Es gab Chapati, Gemüse, Dal und Salat (Gurken und Tomaten). Der wird in Indien immer sehr sparsam gewürzt, auch hier. Aber als Europäer soll man den nicht essen, wegen der Bakterien. Ich esse ihn immer, wegen der Vitamine. Meine letzte Diarrhö hab ich schon wieder vergessen. Der Rest schmeckte tatsächlich ungewöhnlich gut, auch den Ekel kann ich unterdrücken (meine inneren Kameraden haben es nicht leicht mit mir).
Er ist 55 und sagte, dass er ein alter Mann ist. Ich dagegen sehe, sagte er, viel jünger aus und fragte mich, warum das so ist, was der Unterschied zwischen uns sei. Körperlich wirkt er tatsächlich schon etwas marode. Ich sagte ihm was ich wirklich glaube, nämlich dass auch dieses Problem vom Kopf kommt: wenn die Leute 50 sind, glauben sie dass sie alt sind und bewegen sich kaum noch bis gar nicht mehr. Dadurch verlieren sie ihre Muskeln und das ist es, was sie tatsächlich alt macht.
Die beiden haben 4 Kinder, Söhne und Töchter und deren Verheiratung hat viel Geld gekostet. Jetzt haben sie 6 Lacs Schulden bei der Bank, das sind 600.000 Rupies (7300€). Dafür müssen sie 16% Zinsen zahlen, mit den übrigen Kosten 6 Jahre lang 20.000 R. monatlich (240€), das macht in der Summe 1,44 Millionen, das 2,4 fache. Ich sage schon lange, dass Kredite sich meist nicht lohnen, bei solchen Zinsen schon gar nicht. Wenn sie das Geld vorher gespart hätten, hätten sie für diesen Betrag nur zweieinhalb Jahre arbeiten müssen.
Ich habe meine geplante Route wieder geändert. Ursprünglich wollte ich von Shimla über die Berge durch Uttarakhand nach Südosten nach Nepal. Ich habe aber nur noch 2 Wochen (Visum) und da hätte ich täglich 35 km machen müssen. Die letzten Wochen haben mich überzeugt, dass ich das in dem Gelände nicht schaffe. Es gibt einen anderen Weg weiter südlich über Chandigarh, dann durch Uttar Pradesh, der ist sogar 40 km kürzer, das bedeutet zwar immer noch 32 km pro Tag, aber die sind weitgehend flach. Jetzt bin ich etwa 20 km nördlich von Chandigarh.
Hier noch ein Bild aus Shimla
Mir ist es hier immer noch zu heiß, obwohl es doch im September langsam abkühlen sollte. Aber ich komme aus dem Himalaya und muss mich erst wieder daran gewöhnen. Positiv ist, dass ich inzwischen das Verbreitungs Gebiet der Tageszeitungen um Dharamsala verlassen habe, was gefühlt 10 mal weniger erzwungene Stopps zur Folge hat. Es ist immer noch Regenzeit, mit 2-3 Regenschauern täglich, dazwischen meist Sonne und glühend heiß.
Das Bild ist von vorgestern, hier sind keine Berge mehr. Ich möchte damit zeigen, mit welch niedriger Produktivität sich Indien zufrieden gibt. Die Schottersteine für den Straßenbau werden von Hand mit einem Hammer zerkleinert. Den Leuten ist es recht, das ist hier der einzige Job, den sie kriegen können und sie hoffen, ihn möglichst lange zu behalten.
Und sie machen einen fröhlichen und glücklichen Eindruck dabei. Wenn man das Bruttosozialglück pro Kopf messen könnte, dann hätten die Inder sicherlich am meisten davon von allen Ländern auf meinem bisherigen Weg. Mir erscheinen sie permanent himmelhoch jauchzend, als hätten sie sich ihre kindliche Lebensfreude bewahrt. Jeder Deutsche würde sich unter solchen Lebens - und Arbeitsbedingungen die Kugel geben. Ich habe den Eindruck, je höher der Lebensstandard, desto höher ist auch die Unzufriedenheit.
Wenn sie mich begrüßen, sieht das immer aus wie ein zujubeln. Ich will kein Superstar oder Gott sein und halte dieses Verhalten für unangemessen und maßlos übertrieben und kann es nicht nachvollziehen. Deshalb nervt es mich, genauso wie ihre Distanzlosigkeit. So etwas wie Privatsphäre gibt es in Indien nicht. Sie können mein Bedürfnis danach genauso wenig verstehen wie ich ihre Distanzlosigkeit.
Heute übernachte ich wieder in einem Sikh Tempel. Sie brachten mir ein Abendessen, Geld wollen sie nicht dafür, trotzdem hat das einen hohen Preis. 10 Männer umzingeln mich und schauen mir beim Essen zu und das in einem Abstand, der mich nahe an die Verzweiflung bringt. Man braucht nicht zu hoffen, dass es ihnen irgendwann langweilig oder zu blöd wird, es bleibt höchst spannend bis zum letzten Bissen und darüber hinaus. Ich ging zum Waschraum, sie kamen mit und schauten zu und beleuchteten den ganzen Vorgang. All dies ist mir äußerst unangenehm, aber kein einziger Inder kommt auf so eine blöde Idee. Da macht auch ausflippen keinen Sinn, das würden sie genauso nicht verstehen. Ich muss da durch.
Am nächsten Morgen schaltet sich um 04:00 Uhr! automatisch der Lautsprecher ein, der laut genug ist um das ganze Dorf zu beschallen. lch halte dieses eintönige Geleier eindeutig für Gehirnwäsche. An ein Weiterschlafen ist nicht mehr zu denken. Frauen geistern herum, kehren und wischen den gefliesten Boden rund um den Tempel. Um halb 5 sehe ich den ersten Mann. Sie kommen mit wenig Nachtschlaf aus weil sie während der Siesta ein Mittagsschläfchen machen (für mich undenkbar, angesichts des öffentlichen Interesses. Ich habs versucht).
Um halb 7 wollen sie mir ein Frühstück bringen, ich überlege, ob ich so lange warten will.
Um 6 hat mich mein Wecker geweckt, der Lautsprecher war still. Ich habe mir wieder irgendwo Krätzmilben eingefangen. Die beste Therapie dagegen ist waschen, 2 mal täglich mit Seife. Dabei werden sie jedesmal so weit dezimiert, dass sie sich nicht mehr fortpflanzen können und nach dem 2. oder 3. mal aussterben. Bis ich danach meine Sachen gepackt habe, war es 7 Uhr und da kam dann auch mein Frühstück.
Das kleine Fahrgestell da drunter ist ein normaler LKW. Und dafür brauchen sie keine Absperrungen und Polizeieskorte, jeder kann aufladen so viel er will.
Die nächste größere Stadt heißt Saharanpur, 11 km.
Bananen mit Blüte, die kann man kochen und essen, wird auf den Märkten als Gemüse verkauft. Bananen wachsen permanent das ganze Jahr, Mangos leider nicht. Deren Saison ist inzwischen vorbei. Außerdem gibt es Äpfel, die gleichen Sorten wie bei uns, Papayas, Birnen, grüne Orangen, Granatäpfel und alle Sorten von Gemüse.
Der kürzeste Weg nach Nepal ist von hier aus 295 km und ich habe noch 10 Tage Aufenthalts Erlaubnis.
Auch hier bauen sie Gehwege für die Katz. Weil sie so viele Hindernisse und Barrieren einbauen, dass sie keiner benutzen will.
Gestern Abend haben mich 3 junge Männer abgefangen, sie waren wohl der Meinung dass ich in der Gegend keinen sicheren Schlafplatz finden werde. Ich vertraute ihnen und ließ mich 3 km zurückführen (was ich sonst niemals tue, ich sage den Leuten immer: "I never go back), mitten in die Stadt Manglaur, zu einer christlichen Kirche, wo sie dachten dass ich schlafen kann. Aber irgendein Obermufti war anderer Meinung. Aber er wusste von einem Hindu Tempel wo es gehen müsste und er hatte recht. Das waren mehrere große Gebäude mit 2 Innenhöfen, dort wohnte nur ein einbeiniger Wächter und für ihn war es eine Ehre, meinem Wunsch zu entsprechen. Mehr als das, ich bekam sogar ein Zimmer Ich war der einzige Gast. 3 andere Jungs haben mich hingeführt und die wollten mir nicht mehr von der Pelle rücken, einer holte gegen meinen ausdrücklichen Willen einen Teller voll mit extrem süßem Gebäck und ich musste sie nötigen, mir wenigstens zu helfen ihn zu vertilgen.
Sprachlich ist Uttarakhand im Vergleich mit den anderen indischen Staaten die ich bisher kenne, am weitesten zurück geblieben. Kaum einer kann hier englisch und wenn, dann nur sehr schlecht. So ist es immer schwierig bis unmöglich, mit den Leuten zu kommunizieren. Es scheint hier auch mehr Analphabeten zu geben, jedenfalls können sie es nicht lesen, wenn ich ihnen die Google Übersetzung unter die Nase halte. Am schnellsten schaffe ich sie mir vom Hals, wenn ich nur auf deutsch antworte. Manche können da unerträglich hartnäckig sein. Vorgestern habe ich so einen angeschnauzt, er solle verschwinden und erst als ich mir die Ohren zugehalten habe, hat ers kapiert. Er hätte das vermutlich eine Stunde durchgehalten, mir wird es nach wenigen Sekunden zu blöd.
Jetzt bin ich einen halben Km vor dem Ganges, habe da mal wieder einen versteckten Platz hinter einem Blechzaun gefunden. Da steht auch ein kleines Gebäude das ich nicht für ein Wohnhaus gehalten habe, aber es ist bewohnt. Natürlich haben mich die Kinder sofort entdeckt und mir lange Gesellschaft geleistet, mir beim Essen zugeschaut und beim Zelt aufbauen geholfen. Ihren Segen habe ich. Sie können für hiesige Verhältnisse erstaunlich gut englisch.
Der Ganges ist hier die Grenze. Das ist hier eher noch sein Anfangsbereich und trotzdem ist es der größte Fluss nach der Donau (im Endbereich), den ich bisher gesehen habe. Jetzt ist hier das Ende der Regenzeit, vielleicht wird er später wieder kleiner. Das Bild entstand in der Flussmitte, die Brücke erscheint in beide Richtungen endlos.
Uttar Pradesh heißt nördlicher Bundesstaat, Uttarakhand ebenfalls, in einer älteren Sprache. Uttarakhand hat sich erst im Jahre 2000 von Uttar Pradesh abgespalten. Ein Beispiel, was in so einem Staatenbund möglich ist. Ich stoße immer wieder auf den Vergleich mit Europa, das aus diesem Blickwinkel noch nicht mal in den Kinderschuhen steckt. Und hier passieren Dinge, die wir uns noch gar nicht vorstellen können. Also wenn wir ein Problem haben, brauchen wir nur nach Indien zu schauen. Was nicht heißen soll, dass hier alles besser ist. Im Gegenteil. In Uttar Pradesh gibt es 200 Millionen Menschen, dabei hat es nur etwa 70% der Größe von Deutschland. Inzwischen habe ich schon ein paar Schubladen für den Vergleich der indischen Bundesstaaten. Für Uttar Pradesh sieht das so aus: schlechtere Bildung (mehr Analphabeten), niedrigeres Einkommen, niedrigere Lebenserwartung. Aber weniger Mädchenmorde, was aber in den letzten 6 Jahren auch hier zugenommen hat.
80% der Bevölkerung sind Hindus, 19% Muslime. 1992 haben hinduistische Extremisten eine Moschee zerstört, weil sie an der Stelle einen Tempel bauen wollten. Das hat in den Folgemonaten tausenden Menschen das Leben gekostet. Die Wunden sind noch nicht verheilt, ich höre immer wieder, dass Hindus sich negativ über Muslime äußern und umgekehrt genauso.
Die Landessprache heißt Hindi. Im Iran heißt Indien Hend. Eine Abwandlung von Hindustan.
Die letzten Tage habe ich mich entlang der Grenze zwischen UK (Uttarakhand) und UP (Uttar Pradesh) bewegt. Das heißt häufiger Seitenwechsel, weil die Grenze nicht geradlinig verläuft. Manchmal gibt es Hinweisschilder, oft nicht, sonst hätte ich es überhaupt nicht bemerkt. Die indischen Bundesstaaten haben eine Menge Autonomie, was ein hohes Nationalbewußtsein bedeutet. In UP fragen mich die Leute nicht, wie mir Indien gefällt, sie fragen: wie gefällt dir UP. Und das war überall in Indien so. Das bedeutet außerdem, dass sie sich nicht für das Nachbarland interessieren und dass sie wie alle Länder die Grenzregionen vernachlässigen. Hier sind die Straßen, die Stromversorgung und die Schulen schlechter, die Wirtschaft ist unterentwickelt, das Bildungsniveau niedriger. Außerdem gilt hier nachts wieder Tiger Warnung.
Diese Brücke bestätigt meine Beschreibung. Die Autos müssen weite Umwege machen, die Straßen sind beiderseits der Grenze oft kilometerlang nicht asphaltiert, es gibt nur spärlichen grenzüberschreitenden Verkehr.
Jetzt habe ich noch 3 Tage und 100 km bis Nepal.
Ich muss meine Behauptung von gestern korrigieren: es waren noch 115 km bis Nepal, dann sind es jetzt noch 76. Das halte ich für machbar.
Lastwagen mit 1 BS (Büffel Stärke). CO2 frei, aber trotzdem klimaschädlich (Methan).
Die jungen Männer die gut genug englisch sprechen können, das ist eine Minderheit von gefühlt 10% und von denen sagen die meisten, sie wollen einen Job in Deutschland. Deutschland ist für sie das Traumziel Nr. 1. Ich nehme an, dass bei denen, die nicht mit mir reden können, das Verhältnis ähnlich ist, Folglich träumen fast eine Milliarde Inder von einem Job in Deutschland, zusätzlich zu den 50 Millionen Iranern. Gute Nacht kann ich da nur sagen. Zu den Indern sage ich, dass das nicht möglich sein wird, 1000 mal einfacher ist es, Indien schöner und besser zu machen, damit es lebens- und liebenswert für sie wird.
Heute hat wieder einer versucht mich zu überzeugen, dass ich auf der linken Straßenseite gehen muss. Alle Fahrzeuge und auch die Fußgänger müssen links fahren oder gehen. So ist die Regel. Ich versuchte ihm zu erklären, dass ich auf der rechten Seite besser beobachten kann, ob ich von den Kraftfahrern auch gesehen werde und kann notfalls ausweichen. Ein paar Mal musste ich das schon machen, auf der linken Seite wäre ich vermutlich schon tot. Indien hat 15 mal mehr Einwohner als Deutschland, weniger Kraftfahrzeuge, aber 80 mal mehr Verkehrstote. Ihre bescheuerte Linksgehregel trägt sicherlich mit dazu bei. Wenn sie nicht endlich aufhören alles zu glauben und zu tun was ihnen ihre Eltern und Lehrer einreden, wird sich nie etwas ändern. Die Jugend hat die verdammte Pflicht, sich den Regeln zu widersetzen, die sind nämlich allesamt falsch. Nicht nur in Indien.
Wenn man die Welt verbessern will und das müssen sie (wir auch), dann muss man die Regeln ändern.
Es geht um nicht weniger als das Überleben der Menschheit.
Heute habe ich wieder eine Unterkunft in einer Gurudwara gefunden, das ist ein Tempel der Sikhs. Und die haben die Pflicht und die Aufgabe, jedem Menschen zu helfen. Deshalb betreiben viele solcher Tempel (nicht alle) ein richtiges Hotel, da kann man schlafen und essen, meistens alles umsonst (nicht immer). Hier ist es for free. 3 junge Männer haben mir den Tipp gegeben, als ich ihnen erzählte, wieweit ich heute noch kommen will. Und das ist heute fast ein Marathon geworden. Morgen ist mein letzter Tag in Indien. Bis zur Grenze von Nepal sind es jetzt noch 35 km. Ich werde etwas früher starten, nicht dass ich am Ende zu spät bin. Ich weiß ja nicht, wie lange das Visabüro dort arbeitet. Habe ich das schon erwähnt? Das Visum für Nepal bekommt man direkt an der Grenze und es soll einfach und schnell gehen.
Morgen in Nepal gibts wieder eine neue Seite.