Garganta del Diablo, der Teufelsschlund. Diesen Eindruck hat man tatsächlich, wenn man das Spektakel von oben sieht, wie sich die Wassermassen in ein weißes Loch stürzen. Es könnte genausogut schwarz sein. Den Grund sieht man von hier oben nicht, vor lauter Gischt. Diese Wasserfälle gehören mit den Niagara Fällen in Kanada und den Viktoria Fällen in Afrika zu den größten der Welt. Man kommt sowohl von Brasilien als auch von argentinischer Seite an sie heran und beide Seiten sind absolut sehenswert! Sowas sage ich nicht leichtfertig (fast nie).
Es regnet immer noch viel und oft. Vorgestern war ich einen ganzen Tag und 2 Nächte auf einem Campingplatz deswegen. Unter einem Dach, ich war wieder der einzige Gast. Wie die Betreiber überleben, ist mir schleierhaft. Es kostet pro Nacht, mit oder ohne Tag, 2.000 Pesos, das sind 3,-€. Wer nachgeschaut hat, wo der Ort liegt, wird sich wundern. Ja, ich gehe in Argentinien wieder nach Süden, entlang des Rio Paraná (der Akzent auf dem letzten a bedeutet, dass der Buchstabe betont wird), der hier die Grenze zu Paraguay bildet. Bis nach Garupá. Dort besuche ich Lucia, eine Freundin von Irene. Sie verfolgt meinen Blog, seit ich in Südamerika bin, und hat mich eingeladen. Von dort möchte ich dann aber nach Paraguay, wenigsten noch ein bisschen. Dann nochmal Argentinien und dann über die Anden, der Pass ist dort 4.200 m hoch, wieder nach Chile, in die Atacama.
Heute sah ich, dass nah an der Stelle, wo ich meinen Tag beenden wollte, wieder ein Campingplatz ist. Bei den Preisen, dachte ich, kann ich mir das öfter leisten. Aber das war kein Campingplatz mehr. So wie ich die Leute verstanden habe, haben sie den Platz gekauft und wollen ihn selber nutzen, keine Gäste mehr. Aber 350 m weiter, dort ist ein Campingplatz. Google weiß nichts davon. Dort angekommen, stellte ich fest, es ist alles andere als ein Campingplatz. Das Tor war offen, aber da war ein Schild, auf dem stand: No pasar (nicht durchgehen od. reinkommen). Ich ging trotzdem rein, ging zum nächsten Haus, klopfte an die Tür, erzählte meine (hi-)story und fragte nach einem Platz für mich und mein Zelt. Das Ergebnis war wieder ein Platz unter einem Dach, Abendessen und noch ein Fresspaket für die nächsten Tage.
Am nächsten Morgen zeigte sich der Besitzer emotional stark berührt. Er bedankte sich für meinen Besuch und sagte, ich habe ihm gezeigt, dass das Leben im Alter nicht öde und sinnlos werden muss, es liegt an dir selbst, was du daraus machst. Er ist 65 .
Jetzt bin ich bei Lucia, darf mal wieder in einem richtigen Bett schlafen, aber morgen gehe ich weiter.
Gerade hab ich erfahren, dass die Whatsapp Nummer, die ich nach dem letzten Überfall in meinen Blog geschrieben habe, falsch ist:
+55 42 8409 3954 müsste die richtige sein.
Die Topografie habe ich mir in Südamerika anders vorgestellt. Kurz nach Curitiba stieg die Straße noch bis auf 1.200 m an, um dann bis hierher kontinuierlich abzufallen. Manchmal versuche ich, mir die zukünftige Landkarte der Erde vorzustellen, in 100 bis 200 Jahren, wenn wir so weitermachen, wie bisher. Dann könnte der Meeresspiegel bis hierher ansteigen! Uruguay z.B. ist dann komplett weg. Nicht lustig. Einen 70 m hohen Damm entlang der gesamten Küste kann sich niemand leisten. Und das wäre noch lange nicht alles. Das Wasser sämtlicher Flüsse und Bäche müsste für immer und ewig über diesen Deich ins Meer hinaufgepumpt werden, sonst läuft das Land voll wie eine Badewanne. Was ebenfalls unmöglich ist.
Das Problem mit meiner Whatsapp Nummer ist mysteriös. Bei manchen Leuten funktioniert sie nur mit der 9 an 5. Stelle, bei anderen nur ohne. Wenn ihr Probleme habt, dann müsst ihr eben die andere der beiden Nummern nehmen.
Jetzt habe ich einen schattigen Platz gefunden, ich musste aus der Sonne flüchten. Dies ist der gefühlt heißeste Tag bisher in ganz Südamerika. Auf der Straße in der prallen Sonne, ich schätze über 40⁰ jetzt am Nachmittag. Dabei fängt der meteorologische Sommer hier erst in 2 Monaten an. In Australien hab ich behauptet, alles unter 40⁰ ist ok. Jetzt kann ich das nicht sagen. In Patagonien wars oft an meinem unteren Limit (noch Hitze erprobt), jetzt bin ich noch Kälte gewöhnt, da sind 40⁰ schon zuviel. Aber es ist ok, ich muss das ja wieder trainieren, für die Atacama im Sommer. Trotzdem brauche ich jetzt eine Trainingspause.
Hier war ich wieder 2 Tage und 3 Nächte gefangen, wegen Dauerregen. Weil ich keinen trockenen Schlafplatz gefunden habe, ging ich wieder mal in ein Hotel (selber schuld, weil ich als Weichei ziehmlich wasserscheu bin).
Argentinien hat die schlechtesten Straßen weltweit, soweit ich die Welt bisher kenne. Obwohl diese Stadt 20.000 Einwohner hat, sind nur wenige Straßen im innersten Stadtkern befestigt, mit Beton oder Asphalt. Der Rest ist nicht mal Schotter, nur die blanke Erde und das ist Lehm. Der ist nicht komprimierbar, dann wird er bei Regen butterweich. Und über eine Entwässerung macht sich niemand Gedanken. Bei Trockenheit lebt man dort in ständigen Staubwolken, und niemanden scheint es zu stören. Sie kennen nichts anderes.
Soeben hab ich Paraguay gecancelt. Es scheint mir, als ob sie mich nicht wollen. Auch hier führt die Grenze über eine Brücke über den Rio Paraná, und die ist nicht erlaubt, zu Fuß zu überqueren, wie schon in Posadas. Es gibt Busse, aber die sind relativ klein und mein Anhänger ist dafür zu groß. Die Busfahrer sagen alle, es geht nicht. Und Privatfahrzeuge dürfen keine Passagiere über die Grenze bringen, schon gar keine Ausländer, sagen sie im Touristen-Informationsbüro. Der nächste Grenzübergang wäre in Formosa, 400 Km von hier, um die Südwestecke von Paraguay herum. Ich glaube nicht, dass ich darauf dann noch Lust habe, zumal es mir auch nicht sicher erscheint. Mein nächstes Ziel ist also jetzt Antofagasta in Chile. Über Corrientes, durch die Provinzen Chaca und Salta, in Chile dann San Pedro de Atacama.
(Hoher Stein, Guaraní)
Auch hier bin ich jetzt schon wieder 2 Nächte gefangen, vom Regen. An einer Tanke. Soviel hats noch nirgendwo auf meiner Reise geregnet. Langsam hasse ich ihn.
Ich bin jetzt im Norden in der Mitte der Provinz Corrientes. Die Hauptstadt heißt genauso und ist noch 150 Km entfernt, an der Grenze zur nächsten, Chaco. Deren Capital City heißt Resistencia (Wiederstand) und liegt gleich gegenüber, auf der anderen Seite des Rio Paraná. Der scheint hier eine Art Lebensader zu sein. Im Chaco endet die Regenzone, der Westen ist trocken, dafür heißer, dort gibts dann schon die Riesenschlangen aus der Boa Familie (Boa-Constrictor, Anaconda), auch Affen und natürlich Jaguare.
So schmutzig wird mein Anhänger auf den regennassen Lehmpisten.
An der linken oberen Ecke meiner Box klebt übrigens Lula. Den hab ich von Kiko, ein glühender Lulista (egal, ob männlich oder weiblich, ich meine die Endung -a). Die Anhänger von Bolsonaro sind die Bolsonaristas. Dazwischen gibt es in Brasilien fast nichts mehr, und beide Lager sind, wie in den USA, fast gleich groß, aber nur mit massiver Beeinflussung durch die geballte Kraft sämtlicher Medien zugunsten von Bolsonaro. Diego in Itajaí war ein ebenso fanatischer Bolsonarista. Er hat mich zeitweise in Depressionen gestürzt, weil alles, was er sagte, meinen Überzeugungen diametral widersprach. Er zeigte mir Videos im Internet, in denen Lula mal als Kommunist, mal als Faschist, oder wahlweise als Pädophiler oder Schwuler (mit bemerkenswerter Homophobie) verteufelt wird. Egal, ob sich die Darstellungen widersprechen, Leute wie Diego glauben alles, was aus der Ecke kommt, weil sie es glauben wollen, und das Internet ist voll davon. Ich war eine zeitlang fast verzweifelt. Erst Kiko hat mich wieder davon geheilt. Und auch Rosalvo hat mir mit fundierten Informationen wieder auf die Beine geholfen.
Hier fand ich gestern abend Schutz vor dem Regen mal wieder in einer Capilla (Kapelle). Dahinter gibt es eine überdachte Terasse und Abstellfläche, sogar mit einer funktionierenden Steckdose ideal für löchrige Zelte und mein Handy. Jetzt ist es schon 10 Uhr vormittag und es regnet immer noch alle 10 Minuten. Und kein Mensch weit und breit. Hier ist grad Regenzeit, die dauert von Oktober (Frühling) bis April (Herbst) und in der Zeit regnet es dreimal so viel wie in den restlichen 5 Monaten. Außerdem ist das hier die Regenzone von Südamerika. Noch 2 Wochen, dann bin ich durch.
Nochmal zu Brasilien. Einmal zeigte mir Diego voller Empörung ein Vídeo, in dem behauptet wird, Lula und seine Freunde würden Kinder zur Homosexualität umerziehen. Ein seit Jahrzehnten widerlegter Schwachsinn. Die sexuelle Orientierung ist angeboren und Homosexualität ist weder gut noch böse, nur eben anders.
Lula war übrigens in Curitiba über 1½ Jahre lang eingesperrt, nur um seine nochmalige Kandidatur zu verhindern, im Polizei Hauptquartier. Kiko zeigte es mir. Er und viele andere von Lulas Anhängern demonstrierten jeden Samstag dort für seine Freilassung, direkt vor dem Fenster von Lulas Zelle. Erst als ein junger Hacker die Befangenheit des Richters und dessen politische Motivation aufgedeckt hatte, wurde Lula freigelassen und konnte an den nächsten Wahlen teilnehmen.
Inzwischen ist seine Unschuld amtlich bestätigt.
Überall in Südamerika sind hohe Militärs beliebte Namensgeber für Ortschaften, Straßen, Brücken, Sportanlagen, sogar Geschäfte, ich weiß nicht, was noch. Ich unterstelle: unabhängig davon, wieviel Dreck die am Stecken haben und wieviel Blut an ihren Händen klebt. Sowas ist nur möglich, wenn man seine Geschichte nicht "aufarbeitet", das heißt, sich nicht mit seiner Verantwortung dafür auseinandersetzt (jedes Volk ist für seine Regierung selbst verantwortlich).
Gestern hab ich noch in der Provinz Chaco übernachtet, sie begann schon zwischen Corrientes und Resistencia, auch hier sind Flüsse oft die Grenze zwischen Provinzen. Jetzt bin ich schon in Formosa.
Ich muss nun doch nach Paraguay gehen. Es gab eine Menge Probleme in letzter Zeit. Seit ein paar Tage vor Corrientes, funktioniert mein Elektromotor nicht mehr, inzwischen weiß ich, es liegt am Controller. Ein Fahrradverkäufer (auch E-bikes) erklärte mir, das sei viel zu kompliziert in Argentinien. In Paraguay geht das leichter, ich hab in Asunción sicher bessere Chancen. Zum Glück ist es hier total flach. Aber über die Anden geht das nicht ohne elektrische Unterstützung.
Das zweite Problem: in der 1.Nacht in Corrientes war ein Unwetter, der Sturm hat mein Überzelt aus der Verankerung gerissen, und während ich versuchte, das Innenzelt soweit festzuhalten, dass ich nicht eingewickelt werde, sammelte sich das Wasser 10 cm hoch im Zelt. Als mir das Telefon einfiel, war es schon zu spät. Alles andere funktioniert noch, nur die Simkarte nicht mehr. Wenn ich WiFi habe (was nicht so oft vorkommt), kann ich ganz normal damit arbeiten. In Corrientes konnten sie es nicht reparieren, ich versuchs in Asunción auch nochmal. Dann hab ich mir ein superbilliges aber auch superschlechtes Nothandy gekauft für 110,-€, was sich inzwischen als Fehlinvestition herausgestellt hat. Wenn das Funksignal schwach ist und das ist es hier immer und überall, dann kann es gar nichts. Und dann ist es so langsam, dass jeder Klick ein Ärgernis ist. Wenn mein altes Handy für eine Aktion eine Sekunde gebraucht hat, braucht dieses eine Minute. Oft warte ich eine oder zwei Minuten, und es geht doch nichts.
Resistencia (die Hauptstadt der Provinz Chaco) hab ich mir verkniffen, obwohl mir der Name sehr sympathisch ist. Eine Frau warnte mich vor der hohen Kriminalitätsrate. Sie erzählte mir, es gibt hier sehr viel Korruption. Das führt bei manchen Leuten (wenn ihnen von der Obrigkeit übel mitgespielt wurde) zu Verbitterung und die lassen ihrem Hass auf die Welt freien Lauf.
Ich kann die Regenzone noch nicht so schnell verlassen, weil ich ja jetzt erst nach Asunción gehen "muss". Natürlich tue ich das gerne. Wenn es nur nicht so viel regnen würde! Ich werde gefühlt jeden 2.Tag vom Dauerregen am Weitergehen gehindert. Hier in Pilar (so hieß übrigens meine Langzeit Gastgeberin in Brisbane, Australien), habe ich mich wieder mangels Alternative in ein Hotel geflüchtet, und es soll auch morgen den ganzen Tag weiterregnen.
Bin immer noch hier. Erst heute bekam ich meine Simkarte, so schwierig wars noch nie, seit Aserbaidschan. Für Ausländer ist das Anmeldeprozedere anders und damit haben die Chip Verkäufer Probleme. Im ersten Laden, das war nur ein Kiosk, der Hauptsächlich Sandwiches und Junkfood und Junkdrinks verkauft, dort war ich am Montag abend, sagten sie mir dann am Dienstag früh, sie können es nicht, ich soll es woanders versuchen. Im nächsten sah es schon etwas professioneller aus, aber die vertrösteten mich von einem Tag auf den nächsten, doch heute hat es wider Erwarten dann doch geklappt. Ich bleibe aber noch eine Nacht, weil es noch bis morgen früh regnet. Es hat die Woche jeden Tag geregnet, das hat mir das Warten erleichtert. Aber morgen früh beginnt eine mehrtägige Schönwetter Periode. Bis nach Asunción brauche ich etwa eine Woche, wenn mich der Regen nicht aufhält.
Genauer zwischen Villeta und Asunción. In dieser Halle fand ich gestern Schutz vor dem Regen und der hört auch heute nicht auf. Der junge Mann heißt Oscar und spricht kaum spanisch sondern Guarani, oder eine Mischung aus beiden, wie die meisten Menschen hier. Oscar arbeitet hier, der Chef kommt nur selten, so hat er viel Entscheidungsfreiheit und erlaubte mir, hier zu übernachten. Er produziert verschiedene Beton Fertigteile, ich sehe Fliesen und Zaunpfähle und verkauft auch noch Werkzeug und verschiedene Eisenwaren, falls mal jemand kommt und was kauft. Heute war noch keiner da.
Es regnet an 2 von 3 Tagen, bis zu 5 Tage am Stück. Manchmal so schwach, dass ich weitergehen kann, manchmal aber auch heftig. Die Wetterapps kann man fast vergessen. Da stimmen nicht mal 20%. Und sie wissen sogar wie viel es regnen wird, bis auf den Zehntel mm genau, aber davon stimmen keine 3%. Da frage ich mich manchmal, wofür die bezahlt werden. Bei so einer Erfolgsbilanz würde jeder andere auf der Stelle rausfliegen.
Der Regenschirm heißt auf spanisch übrigens paraguas, doch das hören die Paraguayis nicht gerne, deshalb haben sie ein anderes Wort dafür, jetzt hab ich's vergessen. Ist Guarani.
In Brasilien hat es viel weniger geregnet, aber das war ja noch vor der Regenzeit, die dauert hier den ganzen Sommer, von Oktober bis April. Ein paar hundert Km westlich von hier hört die Regenzone auf.
Diese Dauernässe überall führt natürlich zu einer entsprechenden Mückenplage, so schlimm hab ich's noch nirgendwo erlebt. Die Fliegen sind kein Problem, das sind 1000 mal weniger als in Australien. Bei der Einreise in eines dieser heißen Länder, in jedem Reiseführer, bei den Empfehlungen vom Auswärtigen Amt, überall wird einem ein wirksamer Mosqito Schutz dringend ans Herz gelegt. Es gibt Sprays und Salben, auch solche, die nicht vom Schweiß gleich wieder fortgespült werden, z.B. für Sportler. Keines von beiden ist hier leicht zu finden, nur in größeren Orten. Und ein Beispiel, wie frech die Industrie hier lügen darf: auf meinem mosquito repellente steht, dass es 12 Stunden wirksam ist, auch unter Schweißbelastung, tatsächlich stechen mich die ersten schon nach einer Stunde wieder, nach 2 Stunden alle. Angeblich gibt es auch Schutzmittel, mit denen man die Klamotten imprägnieren kann, nur nicht in den Ländern, wo man es braucht. Diese mosquitos stechen mühelos durch jede Hose, durch jedes T-Shirt und jede Socke.
In ganz Südamerika benutzt niemand dieses Zeug. Meine Fragen zum Dengue Fieber werden nur mit einem müden Lächeln beantwortet. Ich weiß, dass die keine Statistiken führen, aber es scheint mir nicht so, dass jeder 3. daran stirbt.
Mein Handy ist seit Donnerstag in einer Reparaturwerkstatt, der behauptet, er kann es reparieren. Ich denke, ich kann ihn darin mit Vertrauen bestärken. Und auch bei den Ersatzteilen für meinen Elektro-Antrieb war ich erfolgreich, jedenfalls glaube ich das auch. Am Dienstag, sagte er, haben sie den neuen Kontroller.
Meine erste Nacht in Asunción hab ich auf einer Polizeistation verbracht, nicht zum ersten Mal. Das tue ich hier immer, wenn mir die Gegend sehr gefährlich zu sein scheint. Die Polizisten bestätigten dies, ja, aber nur nachts. Ich sagte ihnen, dass ich kein Hotel gefunden habe, daraufhin führten sie mich zu den Zellen. Da waren schon 3 Männer drin, bei deren Anblick fiel mir das Herz in die Hose. Genausogut hätten sie mich in einen Käfig mit hungrigen Löwen sperren können. Sie haben wohl meine Gedanken erraten und führten mich zu einem Zimmer, an der Tür stand "Jefe" (Chef). Ein anderer brachte eine Matratze, aus Sicherheitsgründen holte ich meinen Schlafsack aus dem Anhänger. Die Klimaanlage stand auf 18⁰, das ist für mich jetzt wieder eiskalt. Ich erhöhte die Temperatur gleich mal auf 24⁰, ungläubiges Staunen, dann nahmen sie die Fernbedienung mit. Es scheint nur die eine fürs ganze Haus zu geben. Doch auch 24⁰ war noch viel zu kalt. Das konnte ich aber mit dem Schlafsack kompensieren.
Für die nächste Nacht ging ich in eine Kirche, die Parroquia (das heißt Gemeinde) San Antonio de Padua (katholisch). Es gibt noch ein paar davon in anderen Stadtteilen, diese war im Stadtteil San Antonio, das ist noch im Süden der Stadt. Dort bekam ich eine Turn- oder Mehrzweckhalle, es gab sogar eine Dusche. Das Leitungswasser kann man in Paraguay überall bedenkenlos trinken, sagen sie, da habe ich aber auch schon andere Meinungen gehört. Es schmeckt erkennbar nach Chlor, drum kaufe ich lieber Trinkwasser in Flaschen, da wo es möglich ist. Eine 5 Liter Flasche kostet hier 1,-€. Welch angenehmer Kontrast zu Australien.
Das ist Willi, ein niederbayerischer Querulant (er sagt Querdenker), 74 Jahre alt, lässt kein gutes Haar an nichts und niemandem, macht natürlich reichlich schlechte Erfahrungen mit seinen Mitmenschen, weil er seine Meinung auch nicht verbergen kann und will. Er ist Elektro Ingenieur und lebt schon seit 12 Jahren in Südamerika, seit 7 Jahren in Asunción. Er hat hier ein ganzes Haus gemietet, zeitweise hatte er eine WG hier, zur Zeit war er wieder allein, bis ich kam. Er hat mich wegen meinem Anhänger auf der Straße angesprochen und dann eingeladen bei ihm zu wohnen, so lange ich will, umsonst. Es gibt nicht viele Themen, bei denen wir uns einig sind, ich kann damit leben. Wir klammern die strittigen Themen aus und haben nach wie vor ein gutes Verhältnis. Jeder Versuch, seine Meinung zu ändern und ihn mit Fakten zu überzeugen hat keine Chance auf Erfolg. Aber andersrum ist das ja bei mir genauso. (Altersstarrsinn).
Mein Handy funktioniert wieder. Er hats geschafft. Nur habe ich erst heute entdeckt, dass die Kamera nicht funktioniert.
Dann hab ichs mit einer neuen Kamera App versucht und siehe da: funktioniert!
Vorletzte Nacht ist mein frisch repariertes Handy schon wieder gestorben. Zuerst wurde es im ausgeschalteten Zustand plötzlich so heiß, dass ich eine Explosion des Akkus befürchtete. Es kam nicht dazu, vielleicht war dazu nicht mehr genug Energie drin, jedenfalls ist es seitdem tot. Lässt sich auch nicht mehr laden. Ich fragte in einem anderen Reparaturladen, ob er meint, dass da noch was zu machen ist und der sagte: so schlimm kann das nicht sein. Er versucht es. Die letzte Reparatur war sehr umfangreich, der musste sogar eine neue Platine bestellen, am Ende hat es umgerechnet 37,-€ gekostet, für deutsche Verhältnisse unvorstellbar. Ob es nun reparabel ist oder nicht, der Vorfall hat mir das letzte Vertrauen in dieses Gerät geraubt. Heute habe ich mir ein Neues gekauft, wieder von Samsung, für 950.000 Guaraní (125,-€). Viel teurer dürfen sie nicht sein, weil sie, wenn sie nicht ersaufen, mir doch eh bald wieder gestohlen werden.
Ich bin wieder auferstanden von den Halbtoten. Hatte einen schweren Unfall ohne jede Fremdbeteiligung. Ich war mit Willi auf einer Party, spätnachts machten wir uns wieder auf den Heimweg, da ist es passiert. Ich rutschte im Dreck aus und knallte mit der rechten Hüfte ungebremst auf den Beton. All seine Bemühungen mich irgendwie nach Hause zu bringen, scheiterten an meinen Schmerzen. So musste er mich da liegen lassen und Hilfe suchen. Er fand 2 Polizisten, die sahen sich den Fall an, holten dann ihren camioneta (Pickup), warfen mich auf die Ladefläche (so hat es sich für mich angefühlt), und brachten uns nach Hause. Dort schleppten sie mich noch bis ins Bett. Willi meinte, ich soll doch nicht so wehleidig sein. Am nächsten Tag war das Bein geschwollen, spätestens da war mir klar, dass etwas gebrochen ist. Willi orderte einen Krankenwagen und der brachte mich in die Trauma Klinik (Unfall Krankenhaus). Dort lag ich 2 Tage auf der Intensivstation, Super Hygiene Standard, Super Betreuung, aber nichts zu essen. Das war mir in meiner Lage aber auch überhaupt nicht wichtig, und den anderen Schwerverletzten noch weniger. Die meisten von ihnen waren wirklich halbtot. Gleich bei der Aufnahme machten sie Röntgen Bilder und Computertomografie und ordneten eine Operation an. Meine Frage, ob das denn wirklich unvermeidlich ist, wurde mit einem klaren ja beantwortet.
Das Krankenhaus, die Operation, Betreuung und Pflege, Medikamente, Verbandmaterial, Essen (gibt es in den Krankenzimmern doch), das alles ist in Paraguay kostenlos, für jeden, sogar für mich. Nur die Hardware für die Operation wie Schrauben und Nägel, die können sie sich nicht leisten. Also, da kann sich Deutschland was schämen. Hat dann 3 Millionen Guaraní, knapp 400,-€ gekostet. Das hat Willi mir ausgelegt. Das Material wird auch nur gegen Vorauskasse geliefert. Am 4. Tag wurde ich dann schließlich operiert. Es war irgend ein Teil am Becken, das den Oberschenkelhals Kopf festhält, und das haben sie wieder festgeschraubt. Betäubung nur von der Taille abwärts. Das hat mir am meisten Angst gemacht. Die war aber unbegründet, mein gesamter Unterleib war sowas von tot, das konnte ich mir als totaler Laie unter den Patienten nicht vorstellen.
Schon am nächsten Tag wurde ich wieder entlassen, ein Krankenwagen brachte mich zurück. Willi besorgte noch Krücken und Medikamente, Antibiotikum um das Risiko einer Imunabwehr gegen die Metallteile zu vermindern und Schmerztabletten. Und dann soll ich mich mit Hilfe der Krücken ab sofort so viel wie möglich bewegen ohne das rechte Bein zu belasten und Gymnastik machen. Welche, das muss ich selber herausfinden. An diesem ersten Tag hab ich es nur einmal mit Willis Hilfe aufs Kloo geschafft und dann sofort wieder bleiben lassen. Heute ging es mir schon 10 mal besser, ich war den ganzen Tag nicht mehr im Bett, hab spanisch gelernt, nachgeschaut was inzwischen in der Welt passiert ist, ein paar WhatsApp Chats und zuletzt diesen Bericht hier geschrieben.
Ich habe seit 2 Wochen ein neues Handy. Es funktioniert gut, für meine Verhältnisse ausreichend. Nur mit WhatsApp gibt's bei jedem Handywechsel Probleme. Ich muss mich dort registrieren, dann wollen sie mich verifizieren, d.h. sichergehen, dass ich es bin und fragen mich nach meiner Telefonnummer, um mir einen Code zu schicken, mit dem ich mich ausweisen kann. Das funktioniert natürlich nur mit meiner neuen Nummer in Paraguay. Die alte WhatsApp Nummer stammt ja noch aus Brasilien, über die kann ich keine SMS mehr empfangen. Daraufhin ändern sie meine WhatsApp Nummer. Langer Schreibe kurzer Sinn: ihr müsst meine Nummer in eurer Kontaktliste schon wieder ändern:
+595 983 115 245
wenn ihr mir eine (span.) mensaje schicken wollt.
Jeden 2. oder 3. Tag muss der Verband gewechselt und die Wunde gereinigt werden. Es gibt in jedem Stadtteil eine medizinische Service Station, meine heißt "docto medico", da war ich heute wieder. Ich darf das auf keinen Fall selber öffnen, wegen Infektionsgefahr. Willi begleitet mich immer und wir lassen uns mit einem Taxi dorthin kutschieren, obwohl es nur 1 Km entfernt liegt. Es ist nur ein 5 cm langer Schnitt seitlich am Oberschenkel, zugenäht. Wie sie das gemacht haben ist mir schleierhaft. Die Ärztin sagte, sieht gut aus.
Gestern hatte ich wieder einen Termin im Krankenhaus, eine Kontroll Visite. Auch der Arzt dort sagte, die Wunde sieht gut aus. Auf meine Frage, wann ich die Krücken wegschmeißen darf, sagte er in 3 Wochen erst. Scheiße! Aber ich füge mich in mein Schicksal. Was man nicht ändern kann, muss man akzeptieren. Ein Kampf gegen die Windmühlen hat keinen Sinn.
Ich hab schon lange nichts mehr zum Klimawandel geschrieben, Willi leugnet unseren Anteil daran. Ja, ich bin frustriert, weil wir das 1,5 Grad Ziel mit Pauken und Trompeten verfehlen. Aber anstatt jetzt zu verzweifeln müssen wir versuchen, wenigstens das 2 Grad Limit zu schaffen. Das ist zwar hoch riskant wegen der Kipppunkte, aber immer noch besser als gar nix zu tun und 3 oder 4⁰ zu riskieren. Und mit unserer letzten Regierung waren wir auf dem besten Weg dahin. Wenn wir uns nicht in Grund und Boden schämen wollen vor dem Rest der Welt, dann müssen wir uns schon zumindest beteiligen an den Bemühungen. Ich gehe noch weiter: ein relativ reiches Land wie Deutschland, mit einer höheren historischen Schuld an der Misere als die meisten anderen Länder, muss ein bisschen mehr tun als seine Pflicht und ärmeren Ländern dabei helfen. Schon im eigenen Interesse. Nicht zu helfen bedeutet, auch das 2⁰ Ziel zu reißen. Die großen Klimakonferenzen verstehe ich schon lange nicht mehr. Außer bla bla und Spesen nix gewesen. Und wenn sie dann auch noch den Bock zum Gärtner machen wie bei der letzten, was erwarten sie dann? Und dieses Scheiß Spiel wollen sie das nächste Mal wieder so machen in Aserbaidschan. Wer noch einen Funken Selbstachtung hat, muss diesen Zirkus boykottieren. Wir brauchen wirksamere Mittel und Wege. Und die Möglichkeit von Mehrheits Entscheidungen. Ist doch jedem halbwegs intelligenten Schimpansen klar, dass die Böcke immer dagegen sind und offen und hintenrum bremsen und verzögern so gut sie noch können. Das hat der letzte Oberbock außerordentlich gut gemacht, zum Nachteil der Menschen, des Klimas und des Planeten.
Jetzt muss ich erstmal wieder gehen lernen. Ich schaffe schon 3 Km mit Krücken, heute zum ersten Mal mit nur einer. Ohne- geht nur kurze Wege im Haus mit humpeln. Inzwischen haben sie mir im Krankenhaus die Fäden rausgezogen, gestern hab ich zum erstenmal geduscht. Ihr seht also, es geht langsam wieder aufwärts.
Ich nutze die Gelegenheit, mehr spanisch zu lernen. Ich denke, ich kann es schon ganz gut, das kann ich hier aber nicht überprüfen. Früher dachte ich, in Südamerika sprechen die Leute spanisch und portugiesisch, Paraguay war ein weißer Fleck auf der Landkarte. In Wirklichkeit sagen 86% der Menschen hier, sie sprechen Guaraní, nur 11% sagen, ihre Muttersprache sei spanisch. Tatsächlich sprechen sie aber ein Kauderwelsch, von dem ich so gut wie nichts verstehe. Wenn ich sie in spanisch anspreche, verstehen sie alles. Guaraní, so heißt die Sprache, die Währung und das Volk der Ureinwohner hier. Von ihnen haben hier wohl mehr die europäische Invasion überlebt als sonst in Südamerika, jeder, den ich bisher gefragt habe, sagt, dass er indigene Vorfahren hat.
Paraguay ist etwa so groß wie Deutschland und die Schweiz zusammen, hat aber nur 7 Millionen Einwohner und 95% davon leben in der kleineren südöstlichen Hälfte.
Wälder gibt's kaum mehr, in vorkolumbianischer Zeit gab's fast 90% Urwald (die Schätzung ist nicht von mir). 66% der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche gehören 10 % der Bevölkerung, wie überall in Südamerika, wo ich bisher war, wurde das Volk weitgehend enteignet. Im trockenen Nordwesten herrscht überwiegend Weidebetrieb, hauptsächlich für den Fleisch Export, im feuchten Südosten Ackerbau, hauptsächlich Soja, auch Export. Die Erlöse bleiben natürlich auch in der Hand der wenigen Reichen, Steuern müssen sie in Paraguay dafür kaum bezahlen. Man sieht, obwohl sie sich Demokratie nennen, der Faschismus seit 35 Jahren überwunden ist, hat das Volk noch nichts zu melden.
Meine Schlussfolgerung: mit 8 Milliarden Menschen wäre der Planet noch lange nicht am Limit, mit dieser primitiven kapitalistischen Verteilung der Ressourcen sind wir schon weit drüber.
Meine Genesung schreitet voran, seit einer Woche gehe ich ohne Krücken spazieren, gestern waren es schon 5 Km.
Meine längste Trainingsstrecke (gehen) war schon 15 Km, danach hatte ich Muskelkater. Und mein Tempo von vor dem Unfall erreiche ich auch noch nicht. Da rechne ich mit nochmal 3-4 Wochen.
Ich musste mir schon wieder ein neues Handy kaufen. Das letzte hab ich in einem Taxi vergessen und das Unternehmen (Bolt heißt es) hielt mich 8 Tage hin. Ich habe ihnen jeden Tag durchschnittlich 2 E-Mails geschickt. Nach 4 Tagen antworteten sie, sie hätten den Fahrer deswegen kontaktiert und ich soll doch nicht so ungeduldig sein. Nochmal 4 Tage später schrieben sie mir, der Fahrer hat leider nicht geantwortet und da können sie auch nichts machen. Im Übrigen sind sie nicht für verlorene oder vergessene Gegenstände verantwortlich. Sie haben auch nicht mal ein Büro in Paraguay, das ist in Estland.
Meine Vorkehrungen, um das Telefon in so einem Fall wieder zu finden, waren wieder nicht ausreichend. Jetzt weiß ich endlich, dass man dafür eine App braucht und die muss man vorher schon auf dem Gerät installiert haben.
Natürlich brauchte ich wieder einen neuen Chip (Simkarte), die alte Telefon Nummer geht hier nicht nochmal. In Brasilien war es möglich. Das bedeutet, wer mich weiterhin über WhatsApp kontaktieren will, muss meine Nummer in seiner Kontaktliste schon wieder ändern: +595 9872 1906 8
Meine E-Mail Adresse ist die alte:
kunopenner18@gmail.com
Jetzt bin ich schon 4 Monate bei Willi, bin in der Zeit bestimmt schon an die 1.000 Km kreuz und quer durch Asunción gegangen, das ist aber kompliziert zu dokumentieren, drum hab ich diese Km einfach weggelassen und bin immer noch bei 52.666. Das sind meine wirklich zu Fuß gegangenen Km. Bus-, Zug- und Autofahrten habe ich immer rausgerechnet, auch Flugreisen sind da nicht mit drin.
Mein Urteil über Asunción: vernichtend! Ich kann niemandem empfehlen, hierher zu kommen, Urlaub zu machen und Land und Leute kennen zu lernen. Man muss sehr auf sich aufpassen und sich viel Mühe dabei geben, dass man hier nicht zum Rassisten wird. Das einzige was man hier lernt, ist Verachtung für die Menschen, ihre Toleranz und Gleichgültigkeit gegenüber Missständen, und Problemen, die sie täglich neu erschaffen anstatt die alten zu lösen. Beispiel Kriminalität: Die Erfolgsquote der Polizei bei Aufklärung und Strafverfolgung ist gleich null. Bei Handy Diebstahl genau so wie bei der Korruption auf höchster Ebene. Ist doch kein Wunder, dass es da lukrativ ist, auf diese Weise seinen Lebensunterhalt zu verdienen oder aufzubessern.
Wird langsam Zeit, weiter zu gehen.
Ich könnte nach Norden, durch den Chaco nach Bolivien oder nochmal nach Brasilien gehen, das ist die sehr dünn besiedelte Nordwest Hälfte von Paraguay. Sympathischer wäre mir der Weg nach Westen, durch Argentinien nach Salta (1.000 Km). Weiter über die Anden in die Atacama Wüste (war mein letzter Plan) geht aber nicht mehr, in 2 Monaten wird's hier Winter und der nächste Pass nach Salta ist 4.300 m hoch. Für mich im Winter nicht möglich. Also östlich der Anden nach Norden, Bolivien.
Es herbstelt hier vor Willi's Haus, obwohl es nicht so kalt ist, wie das Bild suggeriert. Minimum war bis jetzt 10⁰, drinnen wie draußen, aber es wird noch kälter. Das wird in einem Haus ohne Heizung ziehmlich ungemütlich. Ich kann mich an Diskussionen in Deutschland vor der befürchteten letzten Energiekrise erinnern, da galten 17⁰ Raumtemperatur schon als unzumutbar. Für Paraguayis sind die Deutschen totale Weicheier. Dafür dauert der Winter hier nicht so lange.
Die Hoffnung auf eine Reparatur meines elektrischen Controllers oder irgendeine Ersatzteil Beschaffung kann ich vergessen. Das ist hier so unmöglich wie in Argentinien. Armes Südamerika! In Brasilien war es möglich. Vielleicht muss ich doch wieder dorthin zurück, wenn ich meinen Anhänger nicht mit eigener Muskelkraft über die Anden ziehen will. Im Himalaya hab ich das ja auch geschafft, aber da war er nicht mal halb so schwer. Den Unterschied machen die langen menschenleeren Wegstrecken hier, es sieht nach Westen und Nordwesten ähnlich aus wie in West- und Nord-Australien: nichts, niemand, nada. Mit kleinem Gepäck unmöglich, wenn man selbst gehen und nicht ständig mit einem Bus fahren will.
Frühere Expeditionen hatten auch ganze Treks dabei und haben es trotzdem nicht immer geschafft. Ich mach das alleine. Nicht soo menschenleer und heute gibt es Straßen und Internet, aber ohne Unmengen von Wasser und Lebensmitteln wäre es immer noch Selbstmord.
Ich muss meine Abreise nochmal verschieben, um über 3 Monate. Willi will die Gelegenheit für einen Heimat Urlaub nutzen, er hat seine Familie schon seit 14 Jahren nicht mehr gesehen und das geht nur, wenn eine vertrauenswürdige Person das Haus hütet. Ein weiterer Grund, mein Freund Botho aus Rosenheim in Deutschland will versuchen, mir einen E-Bike Motor mit Zubehör zu schicken. Das wird auch eine Weile dauern, aber dann ist der Winter hier vorbei und ich könnte doch über die Anden gehen.
Ein ganz normales Bild. Kein Paraguayí wird verstehen, was daran so bedeutsam ist, dass ich es euch zeige. Wenn der Gehweg mal gut ist, stellen sie mir andere Hindernisse in den Weg. Die Frage: was denkt sich so jemand? ist müßig. Als Rassist würde ich sagen: sie denken nicht, können sie ja gar nicht. Aber ich sage: vermutlich haben sie größere Probleme und Sorgen. Auch die Polizisten, die sowas überhaupt nicht sehen, obwohl es auch hier verboten ist.
Solche Bäume kenne ich schon von Australien, ihre Methode sich vor Fressfeinden zu schützen stammt also aus Gondwana. Auch Südamerika kommt von diesem alten Superkontinent und ich finde viele botanische Gemeinsamkeiten.
Willi ist seit 2 Wochen in Deutschland und will im September wiederkommen. Wir haben unsere Differenzen, aber auch viele Gemeinsamkeiten. Zum Beispiel glauben wir beide nicht, trotz schlechter Erfahrungen, dass die Welt so schlecht, böse und gefährlich ist, wie manche andere das tun. Jeder, der Asunción kennt, hält es für keine gute Idee, abends bei Dunkelheit noch 6 Km zu Fuss nach Hause zu gehen. Wir machen das jetzt seit einem halben Jahr. Gut, zu zweit ist das Risiko eines Überfalls nochmal geringer. Die vielen Horror Geschichten, die ich höre, hinterlassen doch eine Wirkung in meinem Hinterkopf. Willi hat nie eine Tür abgeschlossen und das Gartentor nur, wenn er das Haus verlassen hat. Seit ich hier alleine bin, halte ich das Tor immer geschlossen. Und ich hab mir vorsichtshalber eine Machete unter das Kopfkissen gelegt.
Das ist ein Penner, es gibt viele davon in Asunción. Sie können wie die Hunde einfach da, wo und wie sie grad müde umfallen, schlafen. Komischerweise legen sie sich meistens quer auf den Gehweg und nichts und niemand kümmert sie. Weil es wieder kalt ist, hatte er schon vorsorglich eine Decke dabei, so ganz ungeplant kann es also nicht sein. Der Juli ist hier der kälteste Monat, so wie im Norden der Januar. Der bisher kälteste Tag hatte +4⁰ (Celsius) frühmorgens und 10⁰ am frühen Nachmittag. Und die Temperatur schlägt wilde Kapriolen. Eine Woche später waren es wieder 20 bis 35⁰, hängt immer davon ab, wo der Wind grad herkommt. Antárctica scheint den gesamten südlichen Teil des Globus zu dominieren.
Blick aus dem schätzungsweise 15. Stockwerk eines Hochhauses aufs Zentrum von Asunción. Hier hat Max gewohnt, ein neuer Einwanderer aus Deutschland. Inzwischen kenne ich schon einige, manche sind schon 35 Jahre hier und obwohl wir außer der Sprache nicht viel Gemeinsamkeiten haben, gehe ich doch gerne hin (ins Zentrum, 6 Km von Willi's Haus) und höre genau zu, wenn sie von ihren Erfahrungen erzählen.
Meine täglichen Trainingsrunden werden immer länger, 20 Km ist nichts besonderes mehr. Außerdem lerne ich die restliche Zeit spanisch, auch 3-4 Stunden täglich. Ich liebe es, spanisch ist eine sehr schöne Sprache (Guaraní nicht) und der Wortschatz ist nicht so schlimm. Es gibt viele Ähnlchkeiten mit deutsch, noch mehr mit englisch, aber der Satzbau ist schon manchmal herausfordernd. Ein Beispiel, wenn ich sagen will: "ich gebe es dem Willi", dann heißt das auf spanisch: "se lo doy a Willi" und wörtlich übersetzt heißt das: "ihm es ich gebe dem Willi". Würde man die deutsche Reihenfolge verwenden, für die Latinos würde das genauso verkehrt und kaum verständlich klingen. Ich hab mal behauptet, spanisch ist eine Macho Sprache. Hier ein paar Beweise: der Mann heißt hombre, die Frau mujer, beide zusammen sind hombres. Auch alle Menschen sind hombres. Jungs sind niños, Mädchen niñas, Kinder sind niños. Katzen sind selbstverständlich gatos, Hunde perros und ein Redner spricht seine Zuhörer mit señores y señoras an. Mich wundert es also nicht, dass die spanisch sprechenden Männer so schwer aus ihrer Macho Rolle herausfinden.
Mir wurde schon wieder mein Handy geraubt. Letzten Samstag, spät abends, mitten in der Stadt ("sowas macht man doch nicht, so spät abends, noch dazu alleine!") Ja, so ist das hier in Südamerika, ist völlig normal. 2 junge Männer (um die 20) stellten sich mir in den Weg und wollten offensichtlich irgendwas von mir, ich hab Telefon verstanden. Ich lehnte ab, da drückten sie mich gegen die Wand, zielsicher fischte einer der beiden mein Handy aus der Hosentasche, dann liefen sie weg. Das waren keine Profis, sie waren nur auf das Handy fixiert und haben nicht daran gedacht, auch in der anderen Tasche nachzusehen. Da war mein Geldbeutel und da war mehr Geld drin, als sie vermutlich für ein gestohlenes Handy bekommen können. Ich hab mir am Montag wieder ein neues Telefon gekauft (120,-€), dann ging ich zur Tigo Zentrale (das ist hier der Provider der Simkarte), hab mir einen neuen Chip gekauft und gefragt, ob sie das alte Telefon finden oder blockieren oder alle Daten löschen oder es zur Explosion bringen können. Das einzige, was sie können, ist den Chip (die Simkarte) blockieren. Falls es doch noch einem Profi in die Hände fällt, weiß ich nicht, was der dann noch findet. Sensible Daten gibt es eh keine, keine Bankverbindung, keine Kreditkarte, keine Passwörter, aber eine Bildschirmsperre. Vielleicht ein paar Email Adressen oder Telefonnummern aus der Kontaktliste. Aber dies war ja nicht der erste Handyraub und da ist noch nie was passiert. Ich vermute, dafür bin ich ein zu kleiner Fisch. Ich konnte noch die meisten Daten, Kontaktliste, Fotos, Duolingo (das ist meine Sprachlernapp), aufs neue Gerät übertragen, nur die WhatsApp Chats fehlen, soweit ich es bis jetzt überblicken kann. Vielleicht hat es der oder die eine oder andere schon bemerkt, dass ich die Nachrichten nicht mehr lesen kann, hier ist meine neue Nummer: +595 (für Paraguay) 983 115 245 möglicherweise funktioniert aber auch die alte Nummer noch, oder nur die alte. Kann das bitte jemand ausprobieren?
Ihr müsst meine Telefonnummer (ist auch wieder die WhatsApp Nummer) in euren Kontaktlisten ändern, die alte löschen. Sie funktioniert nicht mehr, Tigo hat sie also wirklich gesperrt.
Das ist ein Florettseidenbaum, kommt auch aus Gondwana und ist verwandt mit dem australischen Baoab (Flaschenbaum), auch ein Malvengewächs. Er hat andere Blätter und bekommt im Alter nur manchmal einen dicken Stamm zwecks Wasserspeicherung. In seiner Jugend hat er grüne Rinde und Stacheln (siehe Eintrag vom 04.07.) Während der Blüte verliert er sämtliche Blätter, die kommen aber danach sofort wieder. Und wenn die Blüten abfallen, bilden sie am Boden einen Teppich, wie Neuschnee, nur in rosa. Es gibt auch ein paar schöne Dinge in Asunción.
Meine neuen Amigos germanohablantes in Asunción, hab ich über Willi kennengelernt, sind genauso alt wie Willi und ich, aber leben schon seit 35 Jahren in Asunción. Sie sagen: ja, so sind sie, die Paraguayer. Alle. Ich widerspreche immer noch.
All die Räuber, die mich bis jetzt in Südamerika überfallen und beraubt haben sind nur eine verschwindend kleine Minderheit, haben aber einen gewaltigen negativen Einfluss auf das soziale Klima. Sie sahen tatsächlich alle indigen aus. Die europäische Bevölkerung sieht in den indigenen Landsleuten so was wie Kanaken, sie finden keine oder kaum Jobs und wenn, dann natürlich die unangenehmsten und am schlechtesten bezahlten. Irgendeine finanzielle Unterstützung? Nix da. Manche verkaufen auf der Straße Obst oder Süßigkeiten oder Schnürsenkel, die sie zuvor im Großmarkt nur geringfügig billiger gekauft haben, mit lächerlich niedriger Gewinnspanne. Wer das nicht kann oder will, muss betteln, stehlen oder verhungern. Dabei waren es die weißen Einwanderer, die sie von ihrem Land vertrieben haben, Wer nicht ging oder sich wehrte wurde abgeknallt. Und so läuft das bis heute. Ihr gestohlenes Land wurde für nen Appl und'n Ei weiterverkauft. Kurt, der alte Austriaco sagt aus eigener Erfahrung, wer dann beim nächsten Schacher nicht mindestens das zehnfache rausholt, macht was falsch. So lebt auch er heute noch von dem gestohlenen Land.
Wenn ich Indigener wäre, bei mir würden sie nicht so glimpflich davongekommen, ich würde nicht nur ihr Handy stehlen.
Es ist offensichtlich, dass wir dort unrechtmäßig sind und agieren. Natürlich kann jetzt niemand mehr verlangen dass sie wieder verschwinden. Manche sind ja schon seit 600 Jahren da, ihre Nachkommen können genauso wenig dafür wie die der Urbevölkerung. Aber ich verlange, dass sie als gleichberechtigte Menschen und ihre Menschenrechte anerkannt werden. Kurt sagt, unter Strössner gab's diese Kriminalität nicht.
Alfredo Strössner war der letzte faschistische Diktator (1954-89), gehörte der Colorado Partei an, die seinen Putsch unterstützte (und die heute noch oder wieder die Regierungspartei ist). Klar kann man jeden Widerstand blutig im Keim ersticken. Kurt sagt, sie sind nicht fähig zur und reif für die Demokratie. Ich meine, die Verantwortung für die Misere liegt eindeutig auf Seiten der Invasoren und wenn sie so weitermachen, wird sich nie was ändern.
Ich schütze mich mit sachlichen Überlegungen davor, Rassist zu werden.
Hier hab ich einen mit besonders schönem Stamm gefunden und heute habe ich ihn ohne Autos angetroffen. Er ist nicht besonders groß, aber der Stamm hat etwa 1 m Durchmesser, die Blüten sind schon weg.
Am 21. September war hier Frühlings Anfang, aber die Temperaturen liegen schon mit Nordwind bei 25 bis 40⁰, bei Südwind 15 bis 25.
Auch hier haben sie sich den Blödsinn mit der Zeitumstellung einreden lassen. Klar kann man damit weiterleben, aber ich finde das überflüssig wie einen Kropf.
Und ja, es gibt Schlimmeres. Da braucht man nur nach Europa zu schauen. Früher habe ich den Kontinent als einen Ort des Friedens empfunden, war wohl trügerisch. Ich staune, wie schnell man sowas umdrehen kann, wenn man es unbedingt will. Warum sind wir da so hilflos?